Dunkler Engel
nicht mochte?
Rachel hatte Lana, Kim und Beth in einem literarischen Zirkel kennengelernt. Der Kreis hatte sich allerdings nicht lange gehalten.
Sie liebten es zwar alle, Bücher zu lesen. Das Problem war nur, dass sie einen unterschiedlichen Geschmack hatten und sich nie darauf einigen konnten, welches Buch als Nächstes gelesen werden sollte.
Rachel, Lana, Kim und Beth kamen immer wieder vom Thema ab, und anstatt über das Buch zu diskutieren, unterhielten sie sich lieber über sich selbst. Sie entschlossen sich, ihren eigenen Lese-und Sozialkreis zu gründen. Sie sprachen immer noch über Bücher. Sie erzählten sich gegenseitig, welche Bücher sie lasen, und tauschten ihre Meinungen darüber aus. So war keine von ihnen gezwungen, ein Buch zu lesen, nur weil es einer der Freundinnen besonders gut gefallen hatte.
Sie mochten sich gegenseitig und waren so unterschiedlich, dass sie alle die Leben der anderen faszinierend fanden. Ihre Unterhaltungen steuerten immer auf persönliche Dinge zu, anstatt über das Buch zu sprechen, das diskutiert werden sollte. Das aktuelle Buch, über das man sprechen wollte, war eins, das Rachel empfohlen hatte. Leg the spread: A Woman's Adventures Inside the Trillion-Dollar Boy's Club of Commodities Trading von Cari Lynn. Das Buch beschrieb das Leben in den Börsensälen aus einer weiblichen Perspektive. Rachel hatte darauf gedrängt, dass sie das Buch lesen, denn es würde ihnen helfen, sie besser zu verstehen.
Lana hatte die Augen verdreht und gesagt, sie würde es bezweifeln, dass irgendetwas ihr helfen würde, Rachel zu verstehen, aber sie hatte es versucht.
Lana war leitende Angestellte heim Fernsehen, frech und schön.
Und sehr engagiert. Sie war sehr dominant und vermittelte den Eindruck, dass sie mit jeder Situation fertig wurde, mit der man sie konfrontierte. Lana war Single und wechselte die Männer wie andere Frauen ihre Unterwäsche.
Rachel bewunderte Lanas Dreistigkeit. Nichts war ihr peinlich, und es war ihr völlig egal, was andere von ihr hielten. Rachel beneidete sie um ihre Freizügigkeit.
Lanas ältere Schwester Beth war die einzige verheiratete Frau in der Gruppe. Sie war pragmatisch, klug und adrett. Sie war immer perfekt zurechtgemacht und schien sich selbst völlig unter Kontrolle zu haben. Sie hatte nur einen Fehler: Sie war der Meinung, dass einige Dinge besser ungesagt bleiben sollten. Beth und ihr Mann führten ein erfolgreiches kleines Geschäft zusammen. Normalerweise war Beth die Zurückhaltendste in der Gruppe, aber in seltenen Fällen legte sie mit den Mädels so richtig los, und sie alle fielen erst in den frühen Morgenstunden ins Bett. Wenn Beth es sich in den Kopf gesetzt hatte, die Nacht durchzumachen, dann konnte sie niemand aufhalten.
Und dann war da noch Kim, eine Chemikerin, die für ein großes Pharmaunternehmen arbeitete. Kim war auch klug, pragmatisch, eigensinnig und hübsch. Sie hatte lange braune Haare, die sie sich nie im Leben abschneiden lassen würde. Kim war höflich, ruhig und schien empfindlich zu sein. Sie wurde oft für einen Schwächling gehalten. Aber die Leute, die sie so einschätzten, wurden schnell eines Besseren belehrt. Kim hatte eine führende Position in ihrer Firma inne. Sie würde sich niemals mit weniger als Perfektion zufrieden geben, und das erwartete sie auch von ihren Mitarbeitern.
Rachel betrat die Lobby des Hotel 71, ultramodern ausgestattet, mit einem Couchtisch, aus dem Pflanzen herauswuchsen, und schwarzen Aufzügen. Sie ging in die Restaurant-Bar - eins der neuen In-Lokale in der Stadt, alles in Stahl und Chrom und mit funkelnden Lichtern und voller junger Profis. Es gab keinen freien Tisch, also setzte sie sich an die Bar. Zanus hatte gesagt, sie würden sich dort treffen; er hatte noch im Büro zu tun, aber er würde sie auf jeden Fall nach Hause bringen.
Rachel dachte wieder daran, wie seltsam es war, dass er darauf bestanden hatte, ihre Freundinnen kennen zulernen. Er schien richtig wütend gewesen zu sein, dass sie ihn nicht mitnehmen wollte. Sie sollte froh darüber sein; das war doch ein untrügliches Zeichen dafür, dass er Interesse an ihrem Leben hatte. Trotzdem fand sie das ein wenig seltsam.
Sie fragte sich, ob sie sich Sorgen darüber machte, dass das die Beziehung zu ihm verändern könnte. Die Freunde vorzustellen, war schon ein großer Schritt. Der nächste Schritt würde es sein, die Eltern kennenzulernen. Der Gedanke daran verursachte ihr leichte Bauchschmerzen.
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