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Dunkler Fremder

Dunkler Fremder

Titel: Dunkler Fremder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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bist vor sieben Jahren in
Korea gefallen.«
      Shane winkte ab. »Das will mir jeder einreden.
Langsam fange ich an, mich zu fragen, ob es nicht doch stimmt.«
      Crowther musterte ihn eindringlich, das Stück Feuerstein immer noch zwischen Daumen und Zeigefinger haltend.
      »Was hast du denn da?« fragte Shane.
      »Eine Pfeilspitze, die einer meiner Studenten
bei einer Grabung gefunden hat. Neolithikum, vermute ich«,
antwortete Crowther automatisch. Dann lachte er gekünstelt.
»Aber wovon schwätze ich. Setz dich, Mann, setz dich und
erzähle mir, was du in der Zeit seit den schlimmsten Jahren
unseres Lebens so alles getrieben hast. Als ich dich das letzte Mal
sah, lagst du mit aufgespaltenem Schädel auf einer Bahre. Damals
wurde mir gesagt, du wärst so gut wie tot.«
      Shane zog sich einen Stuhl heran und knöpfte
lächelnd sei nen Trenchcoat auf. »Was sie dir erzählt
haben, stimmte nicht ganz. Ich war ziemlich übel zugerichtet, das
ist richtig, aber ich bin durchgekommen. Ich habe allerdings Jahre im
Lazarett zugebracht.« Er griff nach einer Zigarette. »Wie
ist es dir ergangen? Bis vor wenigen Tagen, als ich mich beim
Kriegsmimsterium nach dir erkundigte, hatte ich geglaubt, du wärst
tot.«
      Crowther nahm eine Pfeife vom Schreibtisch und stopfte
sie aus einem ledernen Tabaksbeutel. »Als sie mich nach dem
Bombardement ausgruben, war ich so gut wie unverletzt. Wilby und Steele
waren beide verwundet, und die Chinesen schafften sie mit einem Sanka
weg. Ich habe sie nie wiedergesehen.«
      »Und was haben sie mit dir angestellt?« fragte Shane.
      Crowther verzog das Gesicht. »Na ja, das
übliche. Ich wurde einer Kolonne Gefangener zugeteilt, und dann
schickten sie uns nach Norden. Es war ein ziemlich langer Marsch. Bei
dem einbrechenden Winter war es alles andere als ein Vergnügen,
das kannst du mir glauben.«
      Shane sah sich in dem Zimmer um und lächelte
flüchtig. »Dir scheint es inzwischen aber ganz gut gegangen
zu sein. Der Pförtner hat mir gesagt, du bist inzwischen Doktor
Crowther. Wann hast du denn promoviert?«
      Crowther zuckte mit den Schultern. »Das liegt
zwei Jahre zurück. Ich habe einige Forschungen angestellt, und
zufällig kam dabei etwas heraus. Das war alles.« Er
lächelte. »Inzwischen bin ich auch verheiratet und habe eine
kleine Tochter. Du mußt einen Abend zum Essen zu uns kommen und
meine Frau kennenlernen.«
      »Das tue ich gerne«, versprach Shane. Er
stand auf und trat vor eine Vitrine, die archäologische
Fundstücke enthielt. Während er sie betrachtete, fragte er:
»Siehst du noch jemanden von der alten Truppe?«
      Crowther schüttelte den Kopf. »Irgendwann
habe ich Charles Graham einmal besucht. Es war ein so schockierendes
Erlebnis, daß ich keine Lust zu einer Wiederholung
verspüre.«
      »Ja, das kann ich verstehen«, stimmte
Shane zu. »Ich war heute nachmittag bei ihm. Doch was ist mit den
beiden anderen. Hast du die je gesehen?«
      »Privat nicht, falls du das meinen
solltest«, antwortete Crowther. »Ich bin Reggie Steele
einmal zufällig in der Stadt begegnet, und er lud mich zu einem
Drink ein, aber ich war in Eile und lehnte ab.« Er lachte
verhalten. »Ehrlich gesagt, ich war nicht besonders scharf
drauf.«
      »Warum nicht?« fragte Shane plötzlich sehr aufmerksam.
      Crowther verzog das Gesicht. »Es ist wohl die
alte Geschichte. Jemand, den man beim Militär kennengelernt hat,
ist nicht unbedingt mehr der gleiche, wenn man ihm später
wiederbegegnet.«
      Shane sah ihn forschend an. »Bedeutet dir das,
was damals da draußen passiert ist, denn gar nichts?«
      Crowther blickte überrascht auf.
»Korea?« fragte er. »Das sind verblassende
Erinnerungen. Gott sei Dank.«
      »Und was ist mit dem Tempel und Colonel Li?«
      Crowther hielt ein brennendes Streichholz an seine
Pfeife und steckte sie in Brand. »Zuerst hatte ich eine Zeitlang
unruhige Nächte, aber das hielt nicht lange an. Es ist
verblüffend, wie schnell die Natur uns hilft, die wirklich
unerfreulichen Erlebnisse zu vergessen.«
      Shane schüttelte den Kopf und sagte mit
großem Nachdruck: »Ich kann und werde es nie vergessen.
Nachts denke ich an Li und seinen verdammten Klumpfuß und an
Simon Faulkner und an das, was sie mit ihm gemacht haben.« Er kam
zu seinem Stuhl zurück und setzte sich wieder. Sein Blick war
gebannt auf Crowther gerichtet. »Vor allem kann ich eins nicht
vergessen: daß einer von uns Li alles gesagt hat, was er

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