Dunkler Fremder
und schleuderte ihn mit aller Wucht durch das Zimmer und zu
Boden.
Doch Wilby richtete sich mit einem Sprung sofort
wieder auf und kam geduckt mit ausgestreckten Armen auf ihn zu. Shane
wartete, bis er nahe genug heran war, und schlug ihm dann mit aller
Kraft seine rechte Faust in den Magen. Wilby schrie auf vor Schmerz,
sackte langsam in die Knie und fiel dann quer über das Bett.
Shane stützte sich gegen den Kaminsims und
wartete. Es vergingen mehrere Minuten, bis Wilby sich stöhnend
aufrichtete und seinen schmerzenden Leib massierte. Als er zu Shane
aufsah, standen Angst und Haß in seinen Augen. »Was suchst
du hier eigentlich?« fragte er gequält. »Weshalb bist
du hergekommen?«
Shane zerrte ihn auf die Beine. Sein Gesichtsausdruck
war grimmig, und in seiner Stimme lag eine eiserne Härte.
»Ich suche nach der miesen Ratte, die uns damals an Colonel Li
verraten hat.«
Plötzlich stand wieder die nackte Angst in Wilbys
Augen, und der Unterkiefer sank ihm herunter. Verzweifelt
schüttelte er den Kopf. »Ich bin das nicht gewesen,
Shane«, beteuerte er eindringlich. »Ich habe den Mund
gehalten.«
Shane zog ihn dicht zu sich heran. Seine Blicke
bohrten sich in das vom Alkohol aufgeschwemmte Gesicht, und Wilby
schien völlig die Haltung zu verlieren. »Du mußt es
mir glauben«, flehte er. »Ich war es nicht.«
Einen Augenblick lang hielt Shane ihn noch gepackt,
dann stieß er ihn von sich, daß er quer durch das Zimmer
taumelte und auf das Bett zurückfiel. Wilby blieb keuchend liegen,
während sich Shane zur Tür wandte. »Ich bin noch nicht
fertig mit dir«, sagte er drohend. »Ich muß noch
jemanden sprechen, und dann komme ich vielleicht zu dir
zurück.«
Er warf die Tür hinter sich ins Schloß und
stieß auf Bella Wilby, die sich in dem dunklen Korridor an die
Wand drückte. »Was bedeutet das denn alles?« fragte
sie verängstigt. »Sie hatten doch gesagt, Sie und Joe
wären Freunde.«
Shane grinste boshaft. »Warum fragen Sie mich
denn? Sie haben doch an der Tür gelauscht, oder etwa nicht?«
Mit einem empörten Schrei wollte sie ihm ausweichen, doch er
packte sie am Arm und hielt sie zurück. »Sagen Sie ihm,
daß ich im Embassy Hotel wohne, falls er mir doch etwas zu sagen
hat.« Dann ließ er sie in der Dunkelheit stehen, ging den
Gang entlang und verließ die Wohnung.
Es regnete noch immer, und der Nebel war dichter als
je zuvor. Mit raschen Schritten ging er Richtung Stadtzentrum und
dachte über die Ereignisse des Tages nach. Das Mädchen Laura,
Charles Graham und Adam Crowther – zwischen diesen drei Menschen
bestand keine Verbindung, doch alle drei hatten sie ihn bedrängt,
die Sache aufzugeben. Und Wilby hatte Angst, eine panische Angst. Aus
dem Gefühl der Schuld heraus, oder stand etwas anderes dahinter?
Er dachte angestrengt nach, aber da war plötzlich
wieder der dumpfe Schmerz unmittelbar hinter der Stirn. Er schlug die
direkte Richtung zu seinem Hotel ein, als der Schmerz noch stärker
zu werden begann. Nebelschwaden wogten um ihn herum, das Gefühl
völliger Vereinsamung bemächtigte sich seiner, und Angst
stieg in ihm auf. Die Welt war ein schwankendes, nebulöses
Traumbild, in dem nichts wirklich existierte. Einer Panik nahe
schlurfte er über die Straße.
Gerade als er den Bürgersteig auf der anderen
Straßenseite fast erreichte, erkannte er Laura Faulkner, die, der
Dobermann ihr auf den Fersen, an ihm vorüberging. Ihr Anblick traf
ihn so völlig unerwartet, daß er verstört
zurückzuckte, und dann war sie auch schon im Nebel verschwunden.
Einen Augenblick lang blieb er regungslos stehen. Erst ein Wagen, der
ihn beinahe gestreift hätte, brachte ihn in die Wirklichkeit
zurück. Er trat vollends auf den Bürgersteig und eilte hinter
ihr her.
Er erreichte die nächste Straßenecke gerade
noch so rechtzeitig, daß er erkennen konnte, wie sie ein paar
Stufen hinaufging, bevor sie hinter einer Haustür verschwand. Auf
einem beleuchteten Schild über der Tür stand
»Hotel«, und er blieb am Fuß der Treppe zögernd
stehen, dann stieg er langsam die Treppe hinauf und folgte ihr in das
Gebäude.
Die unscheinbare Rezeption bestand nur aus einem
kleinen Pult, hinter dem ein alter Mann mit einer Hornbrille saß
und Zeitung las. Auf der anderen Seite des Raums befand sich eine
Tür, die zur Bar führte. Shane ging darauf zu.
Der alte Mann hüstelte diskret. »Tut mir
leid, Sir«, sagte er. »Ich fürchte, die Bar
öffnet
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