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Dunkler Fremder

Dunkler Fremder

Titel: Dunkler Fremder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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diesem letzten Verhör. Fast eine Stunde
lang bin ich bewußtlos gewesen.«
      Eine geraume Weile blickte Shane forschend in das
verwüstete Gesicht, dann wandte er sich ab und ging den Weg
zwischen den wuchernden Gewächsen zurück zur Tür. Graham
folgte ihm überraschend schnell, und während Shane sich
seinen Mantel anzog, stand Graham an seiner Seite.
      »Ich wollte dich nicht aus der Fassung
bringen«, krächzte Graham heiser. »Ich habe einfach
nur versucht, dir zu zeigen, wie absurd diese ganze Geschichte
ist.«
      Shane knöpfte den Mantel zu und öffnete die
Tür. »Du hast mich nicht aus der Fassung gebracht«,
entgegnete er schroff. »Nur eine andere Möglichkeit
angedeutet, auf die ich selbst hätte kommen müssen.«
      Er ging schnell die Treppe hinunter. Graham blieb ihm
auf den Fersen, und als sie die Halle passiert hatten, öffnete
Graham die Haustür und trat mit ihm auf den Vorplatz hinaus.
      Dort blieben sie noch eine Zeitlang nebeneinander
stehen, bis Shane unvermittelt sagte: »Du hast mir sehr geholfen.
Dafür bin ich dankbar.«
      Graham schüttelte abwehrend den Kopf und
antwortete bedrückt: »Welchen Sinn soll das alles haben? Wem
kann das überhaupt nützen?«
      Shane zuckte mit den Schultern und schlug den Kragen
seines Mantels hoch. Sein Gesichtsausdruck war wild entschlossen und
erbittert. »Ich weiß es nicht. Immer wird behauptet, den
Toten könne keiner mehr helfen. Aber sieh mich an. Ich bin ein
lebender Leichnam und damit vielleicht eine Ausnahme. Ich weiß
nur das eine: daß diese Geschichte mich von innen her
auffrißt und daß ich an nichts anderes mehr denken kann.
Ich muß wissen, wer es gewesen ist.«
      »Selbst auf die Gefahr hin, daß sich
herausstellen sollte, daß du selbst es warst?« fragte
Graham verhalten.
      Shane nickte. Die Haut über seinen Backenknochen
war straff gespannt. »Selbst wenn sich ergeben sollte, daß
ich selbst es gewesen bin.«

      »Und wenn das eintreten sollte? Was geschieht dann?« fragte Graham lauernd.
      Einen Augenblick lang standen sie sich gegenüber
und blickten sich hart in die Augen. Dann wandte Shane sich ohne zu
antworten ab, ging die Stufen hinunter und die Auffahrt entlang auf das
Gartentor zu.

    5

      Als Shane an der Haltestelle bei der Universität
aus dem Bus stieg, hatte es nahezu aufgehört zu regnen, aber der
Nebel kroch über die Straße, und die Umrisse der Häuser
waren verschwommen und nur undeutlich zu erkennen.
      Er überquerte die Straße und ging auf den
Haupteingang der Universität zu und erkundigte sich an der
Pförtnerloge nach Adam Crowther. Ein kleiner, rotgesichtiger Mann
in einer blauen Uniform mit goldenen Tressen verwies ihn an die
Fakultät für Archäologie, die auf der anderen Seite der
Hauptstraße an einer Nebenstraße lag.
      Das Gebiet rund um die Universität war vor
vierzig oder fünfzig Jahren offensichtlich ein vornehmes
Wohnviertel gewesen. Zu den meisten der Häuser führten
weitgeschwungene Auffahrten hinauf, und sie standen inmitten
weitläufiger Gärten. Das eine oder andere schien mittlerweile
ein Institut der Universität zu beherbergen.
      Ohne Schwierigkeiten fand Shane die Fakultät
für Archäologie und stieg die Stufen zum Eingang des
Gebäudes hinauf. Im Innern war es dunkel und düster, die
Wände waren abweisend grün und beige gestrichen. Die Halle
war nüchtern und schmucklos und während er sie durchschritt,
knarrten die polierten Dielen bei jedem Schritt laut unter seinen
Füßen.
      Er kam an einer großen Anschlagtafel
vorüber und ging weiter zur Tür des Sekretariats, bemerkte
aber einige Schritte weiter im Korridor eine weitere Tür und daran
eine kleine Holztafel mit Crowthers in sauberen weißen Buchstaben
gemaltem Namen. Er klopfte kurz und trat ein.
      Crowther saß an einem Schreibtisch neben dem
einzigen hohen Fenster, den Rücken halb der Tür zugewendet,
und hielt ein Stück Feuerstein ins Licht. »Ja, was gibt's
denn?« fragte er in ungehaltenem Ton. »Ich habe doch
gesagt, daß ich heute nachmittag nicht gestört zu werden
wünsche.«
      Shane trat langsam näher, bis er Crowther
gegenüber vor dem Schreibtisch stand. »Hallo,
Crowther«, grüßte er. »Es ist lange her, seit
wir uns das letztemal gesehen haben.«
      Crowther richtete sich abrupt in seinem Sessel auf.
Sein Gesicht nahm einen ungläubigen Ausdruck? an. »Aber das
ist ja unglaublich – Martin Shane. Aber das ist doch
unmöglich. Du bist doch tot, Mann, du

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