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Dunkler Fremder

Dunkler Fremder

Titel: Dunkler Fremder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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warst du tot. Für dich ist das eine Art Wiedergeburt. Sehr
interessant. Ich bin überzeugt, daß die Psychiater in dir
ein lohnendes Studienobjekt sehen.«
      Unangenehm berührt sah Shane auf. »Was meinst du damit?« fragte er schroff.
      Graham hob begütigend die Hand. »Eine
Erfahrung, wie du sie gemacht hast, dürfte genügen, eine
weniger empfindsame Person als dich vollkommen aus dem Gleichgewicht zu
bringen. Schließlich muß es doch ein höllischer Schock
gewesen sein, eines Morgens aufzuwachen und festzustellen, daß
man sieben Jahre älter ist, als man gestern noch geglaubt hat. Das
ist ein großes Stück Weges im Leben eines Menschen. Kannst
du dich an überhaupt nichts mehr erinnern?«
      Shane schüttelte langsam den Kopf und beugte sich
vor. »Nein, ich erinnere mich an rein gar nichts, und ich
weiß nur das, was die Ärzte mir gesagt haben. Ich erinnere
mich noch an die sechs Stunden in dem Tempel, bevor die Bomben fielen.
Ich erinnere mich an Colonel Li und an die Salve Gewehrschüsse
draußen, als sie Simon erschossen haben.«
      Einen Augenblick lang herrschte Schweigen, dann sagte
Graham gedämpft: »Daran erinnerst du dich also noch. Auch an
unseren alten Freund Colonel Li.«
      Shane überlief ein heftiger kalter Schauder.
»In meinen Träumen höre ich noch immer das Schlurfen
seines Klumpfußes auf den Steinplatten«, sagte er.
»Wie er durch den Gang schlurfte und dann vor einer der Zellen
stehenblieb.«
      Graham seufzte. »Zugegeben, es würde auch
mir schwerfallen, ihn völlig zu vergessen, aber später hat
sich manches ereignet, was meine Erinnerung an ihn weit in das
Unterbewußtsein abgedrängt hat.«
      »Und was ist danach alles geschehen?«
fragte Shane. »Als ich mich im Archiv des Kriegsministeriums nach
dir erkundigte, sagte man mir, daß du nie in Kriegsgefangenschaft
geraten bist. Du wurdest dort als im Kampf verwundet und als
dienstuntauglich aus dem Dienst entlassen geführt. Das habe ich
einfach nicht verstanden.«
      Graham zuckte mit den Schultern. »Dabei war
wirklich alles ganz einfach. Nach dem Bombardement war ich zwar
reichlich mitgenommen, aber sonst unverletzt. Der Tempel lag
völlig in Trümmern. Außer mir schien es keine
Überlebenden gegeben zu haben, und um ganz ehrlich zu sein, ich
hielt mich auch nicht lange damit auf, nach anderen Überlebenden
zu suchen. Ich fand unsere Uniformen in Colonel Lis Verhörraum.
Auch von dem Colonel war übrigens nicht viel übrig geblieben.
Ich griff nach der ersten Uniform, die mir in die Hände fiel, und
machte, daß ich fortkam. Sie deckten die Umgebung noch mit
schwerem Artilleriefeuer ein, als ich den Berg hinunterrannte.«
»Und was passierte dann?« fragte Shane.
      Wieder hob Graham die Schultern und nahm eine
Zigarette aus einem schmalen goldenen Etui. »Es gelang mir noch,
den Fluß zu überqueren.« Ein flüchtiges
Lächeln spielte um seinen verstümmelten Mund. »Ich war
noch etwa zweihundert Meter von unserer Stellung entfernt, als ich auf
eine Landmine trat.«
      »Das war aber verdammtes Pech«, meinte Shane mitfühlend.
      Graham hob resigniert die Hand. »Jedenfalls
haben sie für mich alles getan, was sie konnten. Es war im
Ergebnis nicht gerade überwältigend, wie du bemerkt haben
wirst, aber es war ja auch nicht mehr allzu viel von mir vorhanden, was
sie hätten zusammenflicken können. Ein Jahr lang konnte ich
so gut wie überhaupt nicht sprechen, schließlich haben sie
dann einen deutschen Chirurgen hinzugezogen, der meine Stimmbänder
noch einmal operierte, und irgendwie lernte ich dann allmählich
wieder sprechen.«
      Shane wußte nicht, was er darauf sagen sollte.
Er stand auf und trat näher an das Fenster. »Wenigstens
scheint es dir nicht gerade an Geld zu mangeln, nach dem Haus hier zu
urteilen.«
      Graham nickte. »Mein Onkel war eine Woche, bevor
wir auf diese letzte Patrouille gingen, gestorben. Erinnerst du dich
daran, als ich den Brief von seinen Anwälten erhielt? Ich habe
euch allen damals eine große Party versprochen, wenn wir das
nächstemal auf Urlaub nach Tokio kämen, um das Ereignis zu
feiern. Als ich aus dem Lazarett entlassen wurde, verkaufte ich alles
an einen großen Konzern und erwarb dieses Haus. Das
Gewächshaus hier hatte es mir angetan. Die Orchideenzucht ist
für mich ein ausfüllendes Hobby geworden. Ihre Aufzucht ist
gar nicht so einfach, mußt du wissen.«
      »Hat es dich sehr überrascht, als du
erfuhrst, daß auch Wilby, Crowther und

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