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Dunkler Grund

Dunkler Grund

Titel: Dunkler Grund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Monk. Lassen Sie es bleiben, ich glaube Ihnen sowieso nicht. Ich weiß genau, was es heißt, jemanden zu lieben, wenn man es eigentlich gar nicht will.« Ohne Vorwarnung verschwand das Lächeln von ihrem Gesicht und machte einem Ausdruck tiefen Schmerzes Platz. Vielleicht hatte dieser Schmerz schon die ganze Zeit unter der Oberfläche gelauert. »Man muß alle seine Pläne ändern, alles ist plötzlich anders. Gerade noch hat man am Ufer gespielt, da hat die Flut einen schon mit sich gerissen, und man kann strampeln soviel man will, man schafft es nicht zurück an Land.«
    »Sie reden über Ihre eigenen Gefühle, Mrs. Fyffe. Ich bin ein guter Freund von Miss Latterly, aber solche Gefühle habe ich nicht für sie.« Er betonte jedes einzelne Wort, aber er sah, daß sie ihm nicht glaubte. Er kam sich auf einmal schrecklich treulos vor. »Es ist durchaus möglich, jemandem freundschaftlich verbunden zu sein, ohne solche Gefühle, wie Sie sie beschreiben!« wiederholte er noch einmal.
    »Sicher!« stimmte sie ihm zu und ging zur Tür. »Ich begleite Sie zum Grassmarket, damit Ihnen nichts passiert.«
    Es war lächerlich. Er war ein kräftiger Mann, mit einem Spazierstock bewaffnet, und sie war eine zierliche Frau, zwanzig Zentimeter kleiner und zart wie eine Blume. Sie erinnerte ihn an eine Schwertlilie in der Sonne. Er mußte lachen.
    Sie ging voraus, stieg die Treppen hinunter zur Haustür und redete über die Schulter mit ihm.
    »Wie oft sind Sie niedergeschlagen worden, Mr. Monk?«
    »Zweimal, aber…«
    »War es schmerzhaft?«
    »Ja, aber…«
    »Ich begleite Sie nach Hause, Mr. Monk.« Ein ganz leises Lächeln spielte um ihre Lippen.
    Er holte tief Luft. »Ich danke Ihnen, Mrs. Fyffe.«
    In Newgate pendelte Hesters Gemütsverfassung zwischen schwer erarbeiteter Hoffnung und grenzenloser Verzweiflung hin und her. Der Müßiggang und das Gefühl der Machtlosigkeit waren die schlimmsten Hindernisse auf dem beschwerlichen Weg zu neuer Zuversicht. Körperliche Arbeit, mochte sie noch so sinnlos sein, hätte dem Schmerz den schärfsten Stachel genommen, sie nachts wenigstens schlafen lassen. So aber lag sie wach, in völliger Finsternis, zitterte vor Kälte und war ihrer Phantasie ausgeliefert, die sie mit verschiedensten Bildern quälte, von denen eines immer wiederkehrte: Der kurze Fußweg von ihrer Zelle zu dem Schuppen, in dem der Strick auf sie wartete. Sie fürchtete sich nicht vor dem Tod an sich, aber ihr wurde immer stärker bewußt, daß ihre Vorstellung von dem, was danach kam, nicht stark genug war, um der Realität standzuhalten. Noch nie hatte sie soviel Angst gehabt. Damals, auf dem Schlachtfeld, wäre es ein plötzlicher Tod gewesen, der ihr keine Zeit zum Nachdenken gelassen hätte. Und sie war nicht allein gewesen. Zusammen mit vielen anderen hatte sie dem Tod ins Auge geblickt, und fast alle hatten mehr Angst vor ihm gehabt als sie. In ihren Gedanken hatte sich alles darum gedreht, wie sie den anderen helfen konnte; für Angst um sich selber war da kein Platz gewesen. Jetzt begriff sie, was das für ein Segen war.
    An einem besonders kalten Tag wurde die Zellentür aufgeschlossen, und ihre Schwägerin Imogen trat ein. Hester war erstaunt, sie zu sehen; sie hatte Charles’ Verbot für sein letztes Wort gehalten und nicht darauf gehofft, daß er sich erweichen lassen würde.
    Imogen war elegant gekleidet, als käme sie zu einem nachmittäglichen Höflichkeitsbesuch, mit ausladenden Röcken, eng geschnürtem Oberteil und kunstvollen Stickereien auf dem Ärmel. Ihre Haube war mit blumigen Ornamenten eingefaßt.
    »Es tut mir so leid«, sagte sie unvermittelt, sah Hester dabei in die Augen und hatte kaum einen Blick für die kahle Zelle.
    »Charles habe ich gesagt, ich müßte einen Besuch bei den Begbies machen. Bitte, sag ihm nicht, daß ich hier war. Ich… ich möchte jetzt lieber keinen Streit mit ihm.« Sie schaute verlegen und entschuldigend. »Er…« Sie redete nicht weiter.
    »Er hat dir verboten zu kommen«, beendete Hester den Satz für sie. »Keine Angst, von mir erfährt er es nicht.« Sie wollte Imogen für ihren Besuch danken, und sie war ihr sehr dankbar dafür, aber sie brachte die Worte nicht über die Lippen. Es hätte falsch geklungen, auch wenn es noch so ehrlich gemeint war.
    Imogen wühlte in ihrer Tasche und brachte ein Stück wohlriechende Seife zum Vorschein, dazu einen kleinen Beutel getrockneten Lavendel von so kräftigem Geruch, daß seine süße Weiblichkeit Hester Tränen

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