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Dunkler Grund

Dunkler Grund

Titel: Dunkler Grund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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vorzuwerfen, oder es gab einen Pächter, aber Baird hatte kein Pachtgeld kassiert, oder er hatte es kassiert und aus irgendeinem Grund nicht an Mary weitergegeben.
    Wahrscheinlich hatte er es behalten oder irgendwelche Schulden damit beglichen, die er nicht offen mit seinem Geld bezahlen konnte, Eine andere Frau – das war Monks erster Gedanke. Aber er liebte sicher niemanden außer Eilish. War es ein Fehltritt der Vergangenheit, den er vor Oonagh und Eilish verbergen mußte? Das klang nach Wahrheit, nach einer Wahrheit jedoch, die ihm seltsam unerwünscht war. Aber warum, um Himmels willen? Jemand hatte Mary getötet! Wenn er beweisen könnte, daß Baird McIvor es getan hatte, stünde Hesters Unschuld zweifelsfrei fest.
    Sie waren halb drüben, und die Strömung wurde noch stärker. Er arbeitete mit aller Kraft, stemmte die Füße gegen die Querleiste. Der Fährmann ruderte weiterhin in seinem ruhigen, gleichmäßigen Rhythmus; seine Bewegungen wirkten natürlich, beinah mühelos, während Monk bereits die Schultern schmerzten. Und immer hatte er dabei dieses stille Lächeln im Gesicht. Monk wich seinem Blick aus.
    Er versuchte einen inneren Rhythmus zu finden, um den Schmerz im Rücken, den er bei jedem Zug verspürte, zu vermeiden. Er kam sich völlig verweichlicht vor. War das vor seinem Unfall anders gewesen? War er ein guter Reiter gewesen, hatte er auf der Themse gerudert oder einen anderen Sport betrieben? In seinem Zimmer hatte nichts darauf hingewiesen. Aber er hatte kein Gramm Fett zuviel am Leib, und er war kräftig. Das Rudern war sicher eine ungewohnte Übung.
    Ohne es zu wollen dachte er an Hester. Ihr Verlust hätte ihm wesentlich mehr ausgemacht, als ihm lieb war. Das machte ihn schwach, und darüber ärgerte er sich. Mut war die Tugend, die er über alle anderen stellte. Mut war der Eckpfeiler, auf dem alles ruhte. Ohne Mut war alles unsicher, war man jeder Laune des Schicksals ausgeliefert. Was hatte die Gerechtigkeit für eine Chance, wenn man nicht den Mut aufbrachte, für sie zu kämpfen? So lange blieb sie Heuchelei, Scheinheiligkeit, Lüge.
    Plötzlich spritzte ihm Wasser ins Gesicht.
    »’nen Krebs gefangen, was?« kommentierte der Fährmann belustigt. »Wer’n Se schlapp?«
    »Nein!« erwiderte Monk knapp, obwohl er sehr erschöpft war. Sein Rücken schmerzte, er hatte Blasen an den Händen und das Gefühl, als würden ihm die Schultern brechen.
    »So, so«, sagte der Fährmann zweifelnd, aber er ruderte nicht langsamer.
    Monk fing noch einen »Krebs«, tauchte nicht richtig ein, sondern ließ das Ruderblatt über die Oberfläche schrammen, daß die kalte, salzig schmeckende, in den Augen brennende Gischt ihnen ins Gesicht spritzte.
    Plötzlich schoß das Boot vorwärts. Sie waren im Windschatten der Black Isle, und der Fährmann lächelte.
    »Sie sind ’n halsstarriger Kerl«, sagte er, als sie ans Ufer glitten. »Aber morgen machen Se das bestimmt nich’ noch mal. Morgen tut Ihnen jeder Knochen weh.«
    »Möglich«, räumte Monk ein. »Aber vielleicht haben wir Glück, und der Wind bläst uns nicht wieder ins Gesicht.«
    »Die Hoffnung ist umsonst«, sagte der Fährmann und streckte ihm die offene Handfläche hin. Monk legte das Fahrgeld hinein.
    »Aber der Zug nach Süden wartet nicht auf Sie!«
    Monk dankte ihm und ging sich ein Pferd mieten, das ihn über die Berge der Black Isle bringen sollte, fast genau Richtung Norden zum nächsten Fährboot am Cromarty Firth.
    Er ritt langsam los. Es war ein angenehmes, vertrautes Gefühl.
    Offensichtlich wußte er mit solch einem Tier umzugehen, ohne sich besonders anstrengen zu müssen. Er fühlte sich im Sattel zu Hause, auch wenn er keine Ahnung hatte, wann er zum letztenmal geritten war.
    Es war eine wunderschöne Gegend, nach Norden hin stieg das Land in sanften Hügeln an, Laubbäume wechselten mit Kieferngehölzen, auf den Wiesen weideten Schafe, gelegentlich auch Rinder. Er hatte das Gefühl, mindestens fünfzehn oder zwanzig Meilen weit sehen zu können.
    Was für eine Erinnerung war das, die ihn beim Einstieg ins Boot überfallen hatte? Irgend etwas lauerte in seinem Hinterkopf, etwas Unangenehmes und Schmerzhaftes. Vielleicht sollte er es lieber ruhen lassen. Das Vergessen konnte sehr segensreich sein.
    Der Anstieg den Berg hinauf war mühsam. Er hatte seinen Rücken stark strapaziert, als sie über den Firth gerudert waren, jetzt stellte er es sich ganz angenehm vor, ein paar Schritte zu laufen. Er stieg ab und ging neben dem

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