Dunkler Grund
nun in den Wortwechsel ein. Alle sahen sie verwundert an.
»Ich sehe keinen.« Alastair legte die Stirn in Falten. »Wissen Sie etwas, das wir nicht wissen?«
»Sei nicht albern«, fiel Quinlan ihm ins Wort. »Glaubst du, Schwiegermama hätte Miss Latterly nach einem Tag Bekanntschaft geschäftliche Dinge anvertraut, ohne wenigstens Oonagh darüber zu informieren, wenn schon nicht uns alle.«
»Miss Latterly?« forderte Alastair sie auf.
»Einer von uns muß zu diesem Bauernhof in Rossshire fahren und herausbekommen, was es mit dem Pachtgeld auf sich hat«, antwortete sie. »Das scheint im Moment die einzige Möglichkeit zu sein. Es geht nicht anders.«
»Und wem von uns würden Sie vertrauen?« fragte Deirdra trocken. »Ich wüßte niemanden.«
»Monk, natürlich«, erwiderte Hester. »Ihm kann es ziemlich egal sein, was dabei herauskommt.«
»Solange es nicht um Sie geht«, fügte Quinlan hinzu. »Ich denke, sein Interesse an der Sache ist inzwischen allen klar. Was er uns hier aufgetischt hat, war, freundlich ausgedrückt, ein bißchen weniger als die Wahrheit; weniger freundlich, dafür aber korrekt ausgedrückt, hat er uns einen Bären aufgebunden.«
»Hätten Sie ihm geholfen, wenn er die Wahrheit gesagt hätte?« verteidigte sie ihn.
Quinlan lächelte. »Natürlich nicht. Ich klage ihn nicht an, ich weise nur darauf hin, daß Mr. Monk nicht so wahrheitsliebend ist, wie Sie ihn darstellen.«
»Ich habe nichts dergleichen gesagt«, erwiderte sie böse. »Ich sagte nur, daß es ihm ziemlich egal sein kann, wer von Ihnen lügt und wo das Pachtgeld geblieben ist.«
»Welch charmanter Ausdrucksweise Sie sich befleißigen!« Hester errötete heftig.
»Bitte!« unterbrach Deirdra und wandte sich an Monk.
»Bleiben wir doch bei der Sache! Mr. Monk, würden Sie sich von Quinlan die Einzelheiten erklären lassen und nach Easter Ross fahren, um die Person aufzusuchen, die das Anwesen gepachtet hat, und in Erfahrung zu bringen, was mit dem Pachtgeld passiert ist und an wen es gezahlt wurde? Ich denke, Sie sollten Beweise mitbringen, Dokumente oder was auch immer. Vielleicht eine schriftliche Zeugenaussage…«
»Eine eidesstattliche Erklärung«, fügte Alastair hinzu. »Ich nehme an, auch da oben gibt es Notare oder Friedensrichter.«
»Ja«, antwortete Monk spontan, auch wenn es ihn ärgerte, daß Hester und nicht er selber diesen Einfall hatte. »Wie weit ist es?«
Er haßte es, danach fragen zu müssen.
Alastair blickte erstaunt. »Ich habe keine Ahnung. Zweihundert Meilen, vielleicht dreihundert.«
»So weit ist es nicht«, widersprach Deirdra. »Höchstens zweihundert. Wir übernehmen die Reisekosten. Schließlich ist es unsere Angelegenheit, die Sie dort oben erledigen, nicht Ihre.« Sie kümmerte sich weder um Alastairs Stirnrunzeln noch um Oonaghs leicht belustigtes Erstaunen. Sie wußte genau, daß Monk nur das letzte Fragezeichen hinter Hesters Unschuld beseitigen und nicht Baird McIvor oder den Farralines behilflich sein wollte. »Ich nehme an, daß Sie mit dem Zug bis Inverness fahren können«, fuhr sie fort. »Danach müssen Sie vielleicht reiten, ich weiß es nicht.«
»Sobald ich die nötigen Informationen und eine Vollmacht habe«, jetzt sah er Quinlan und nicht Oonagh an, »packe ich meine Sachen und nehme den ersten Zug nach Norden.«
»Fahren Sie auch mit?« Eilish sah Hester an. »Nein«, antwortete Monk sofort.
Hester hatte den Mund geöffnet, aber niemand erfuhr, was sie eigentlich sagen wollte. Nach einem Blick in die Runde überlegte sie es sich anders. »Ich bleibe hier«, erklärte sie gehorsam. Ihr würde auch in Edinburgh nicht langweilig werden.
Die Reise nach Norden war lang und äußerst langweilig für Monk. Es ärgerte ihn, daß er dort hinmußte. In Edinburgh hatte ihm niemand sagen können, wie es von Inverness nach Easter Ross weitergehen sollte. Nach Auskunft des Mannes am Fahrkartenschalter war es eine kalte, gefährliche, unzivilisierte Gegend, in die kein vernünftiger Mensch reiste. Stirling, Deeside und Balmoral, das waren Orte, wo man wunderbar Urlaub machen konnte. Auch Aberdeen, die steinerne Stadt des Nordens, hatte ihre Vorzüge, aber hinter Inverness begann das Niemandsland. Dorthin reiste man auf eigenes Risiko.
Monk saß mißmutig im Abteil und ging in Gedanken noch einmal alles durch, was er über den Tod Mary Farralines, über die Gefühle und die Charaktere ihrer Familienangehörigen wußte. Aber auch diesmal kam er nur zu dem Schluß, daß es
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