Dunkler Grund
ja ’n schöner Tag zu werden, trotz dem vielen Wind. Flaut vielleicht ab, wenn die Tide wechselt. Manchmal flaut er dann ab.«
Monk verstand es als Zusage und wollte schon ins Boot klettern.
»Sie woll’n wohl nich’ warten, ob noch einer kommt?« fragte der Fährmann. »Dann würd’s nur die Hälfte kosten, wenn Se selber mit anpacken.«
Nicht so weit weg von zu Hause hätte Monk wahrscheinlich vorgebracht, daß der Fahrpreis in jedem Fall reduziert werden müßte, wenn er selber mit anpackte, ob nun noch jemand käme oder nicht, aber er wollte den Fährmann nicht verstimmen.
»Also, dann kommen Se mal.« Der Fährmann streckte seine Hand aus, um Monk zu helfen. »Besser, wenn wir gleich losfahren. Könnt’ ja sein, daß auf der Black Isle einer wartet, der nach Inverness will.«
Monk ergriff die ausgestreckte Hand und stieg in das kleine Boot. Sowie seine Füße die Bohlen berührten und das ganze Ding unter dem zusätzlichen Gewicht zu schaukeln anfing, spürte er einen Ansturm der Erinnerung, der ihn mitten in der Bewegung innehalten ließ. Es war keine visuelle, sondern eine emotionale Erinnerung: eine Angst und ein Gefühl der Hilflosigkeit und Ungeschicklichkeit. Sie war so mächtig, daß er beinahe zurückgewichen wäre.
»Was is’ los mit Ihnen?« Der Fährmann blickte ihn mißtrauisch an. »Sie wer’n doch wohl nich’ seekrank? Wir ham ja noch nich’ mal abgelegt!«
»Nein, wird’ ich nicht«, erwiderte Monk scharf. Er verzichtete auf weitere Erklärungen.
»Wenn Se nämlich seekrank wer’n«, der Fährmann schien unschlüssig, »dann kotzen Se gefälligst auf die andere Seite.«
»Wird’ ich schon nicht«, wiederholte Monk und hoffte, daß er die Wahrheit sagte. Er ließ sich abrupt im Heck nieder.
»Also, wenn Se mit anfassen wolln, dann nich’ von da aus.« Der Fährmann runzelte die Stirn. »Sie ham wohl noch nie in ’nem Boot gesessen, was?« Er schien es ernstlich zu bezweifeln.
Monk sah ihn an. »Ich hab’ an das letzte Mal gedacht, deshalb hab’ ich gezögert. Die Leute, die damals dabei waren, wissen Sie?« fügte er hinzu, damit der Mann ihn nicht für ängstlich hielt.
»O je!« Der Fährmann machte auf der Sitzbank Platz, Monk setzte sich neben ihn und nahm ein Ruder. »Ich muß verrückt sein, daß ich mich auf so was einlaß’.« Der Fährmann schüttelte den Kopf. »Hoffentlich muß ich es draußen in der Strömung nich’ bereuen. Fangen Se da draußen bloß nich’ an rumzuklettern, sonst landen wir beide im Wasser. Ich kann nämlich nich’ schwimmen!«
»Wenn ich Sie retten muß, will ich das ganze Fahrgeld zurückhaben«, erwiderte Monk trocken.
»Nich’, wenn wir wegen Ihnen umkippen.« Der Fährmann sah ihn direkt an. »Und jetzt halten Se den Mund, Mann, und legen sich in die Riemen!«
Monk gehorchte, vor allem wohl deshalb, weil es ihn volle Aufmerksamkeit kostete, mit dem Fährmann im selben Rhythmus zu bleiben. Er wollte sich nicht noch lächerlicher machen, als er es ohnehin schon getan hatte.
Länger als zehn Minuten ruderte er gleichmäßig und war schon ganz zufrieden mit sich. Immer leichter pflügte das kleine Boot durch das Wasser. Er fing an Spaß an der Sache zu haben. Nach Wochen der seelischen Anspannung und des völlig nutzlosen Herumsitzens im Gerichtssaal war es angenehm, einmal seinen Körper zu bewegen. Es war gar nicht so schwer. Der Tag war klar, und das Sonnenlicht spiegelte sich grell im Wasser; Meer und Himmel waren vom selben strahlenden Blau, eine Endlosigkeit, die eher tröstlich als furchterregend war. Der Wind blies ihm kalt ins Gesicht, aber er war frisch und rein, und der Salzgeruch hatte etwas Beruhigendes.
Doch plötzlich und ganz ohne Vorwarnung hatten sie den Windschatten der Landspitze verlassen und waren in die Strömung gekommen; die Flut, die vom Moray Firth in den Beauly hineinströmte, hätte ihm beinahe das Ruder aus der Hand gerissen. Ohne es zu wollen begegnete er dem ironischbelustigten Blick des Fährmanns.
Monk schnaubte, packte das Ruder fester, krümmte den Rücken und legte sich noch kräftiger ins Zeug. Das Boot pflügte durch das Wasser, quer durch die Strömung, auf das ferne Ufer der Black Isle zu.
Er versuchte seine Gedanken zu sammeln und sich vorzustellen, was ihn auf Mary Farralines Anwesen erwarten würde. Es schien nicht viele Möglichkeiten zu geben. Entweder gab es keinen Pächter und deshalb auch keine Pachtgelder; dann wären Baird McIvor lediglich Untätigkeit und Unfähigkeit
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