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Dunkler Grund

Dunkler Grund

Titel: Dunkler Grund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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sein mochte, war niemand im Zimmer, und als Hester sie erblickte, wußte sie sofort, daß es eine Verwandte des Mannes auf dem Porträt in der Halle sein mußte. Sie hatte dasselbe längliche Gesicht mit der schmalen Nase und dem breiten Mund, aber es gab keinerlei Hinweis auf Unentschlossenheit darin. Ihre Lippen waren sehr schön geschwungen, die blauen Augen blickten ruhig und fest. Das blonde Haar war nach der Mode der Zeit streng frisiert, aber der warme Farbton verlieh ihm einen gewissen Reiz. Doch ihr Gesicht war keineswegs schön; dazu war es zu energisch, und sie gab sich keinerlei Mühe, ihre Intelligenz zu verbergen.
    »Bitte, kommen Sie herein, Miss Latterly«, wiederholte sie ihre Aufforderung. »Ich bin Oonagh McIvor. Ich habe Ihnen im Namen meiner Mutter geschrieben, Mrs. Mary Farraline. Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Reise von London zu uns.«
    »Ja, vielen Dank, Mrs. McIvor, sie war sehr abwechslungsreich, besonders nachdem es hell geworden war.«
    »Das freut mich.« Die überraschende Wärme in Oonaghs Lächeln verwandelte ihr ganzes Gesicht. »Zugreisen können so ermüdend und schrecklich schmutzig sein. Ich nehme an, Sie möchten jetzt die Patientin sehen. Ich muß Sie warnen, Miss Latterly, meine Mutter erscheint vollkommen gesund, aber das ist eine Täuschung. Sie ermüdet viel schneller, als sie zugeben mag, und für ihr Wohlbefinden, möglicherweise sogar für ihr Leben, ist ihre Medizin absolut unerläßlich.« Sie sagte das ganz ruhig, aber mit einem Nachdruck, der keinen Zweifel an der Bedeutung ihrer Worte zuließ.
    »Sie ist nicht schwer zu verabreichen«, fuhr sie fort. »Ein einfacher Trank, ein wenig unangenehm im Geschmack vielleicht, aber ein kleines Praline hinterher wird mehr als Ausgleich schaffen.« Sie blickte zu Hester hoch, die vor ihr stand. »Wenn meine Mutter sich wohl fühlt, kommt es vor, daß sie vergißt, ihre Arznei zu nehmen, und wenn es ihr dann schlechtgeht, läßt sich das Versäumte nicht ohne Gefahr für ihr zukünftiges Wohlergehen nachholen. Ich bin sicher, Sie verstehen mich.« Auch wenn sie sagte, sie sei sicher, stand eine Frage in ihrem Gesicht.
    »Natürlich«, sagte Hester schnell. »Viele Menschen kommen lieber ohne Arznei aus, wenn sie können, und muten sich zuviel zu. Das ist nicht schwer zu verstehen.«
    »Sehr gut.« Oonagh erhob sich. Sie war so groß wie Hester, sie war schlank, ohne mager zu sein, und trotz der lästig weiten Röcke bewegte sie sich sehr graziös.
    Sie durchquerten die Halle, und Hester konnte nicht umhin, noch einen Blick auf das Porträt zu werfen. Das Gesicht verfolgte sie, seine Mehrdeutigkeit beschäftigte sie. Sie konnte sich nicht entscheiden, ob sie es mochte oder nicht. Ganz sicher würde sie es nicht vergessen.
    Oonagh lächelte und blieb zögernd stehen.
    »Mein Vater«, sagte sie. Doch das wußte Hester längst. Ihr war das Stocken in Oonaghs Stimme nicht entgangen, und sie spürte, daß dahinter ein tiefes Gefühl verborgen war, das eine solche Frau vor Fremden und Dienstpersonal sorgsam zu verbergen wußte.
    »Hamish Farraline«, fuhr Oonagh fort. »Er ist vor acht Jahren gestorben. Seitdem leitet mein Mann die Firma.«
    Hester öffnete erstaunt den Mund, doch merkte sie schnell, wie ungebührlich das war, und schloß ihn wieder.
    Oonagh hatte es trotzdem bemerkt. Sie lächelte, und ihr Kinn hob sich ein wenig. »Mein Bruder Alastair ist der Prokurator«, fügte sie erklärend hinzu. »So oft es geht ist er in der Firma, aber die meiste Zeit nimmt ihn sein Dienst in Anspruch.« Sie bemerkte Hesters Verwirrung. »Der oberste Staatsanwalt.« Ihr Lächeln wurde breiter, die Lippen kräuselten sich. »In England nennt man so etwas Anwalt der Krone.«
    »Ach!« Hester war beeindruckt, ganz gegen ihren Willen. Der einzige Jurist, den sie kannte, war Oliver Rathbone, der brillante Rechtsanwalt, den sie durch Callandra und Monk kennengelernt hatte und dem sie ausgesprochen gemischte Gefühle entgegenbrachte. Aber das war eine persönliche Angelegenheit. Beruflich hegte sie tiefste Bewunderung für ihn. »Ich verstehe. Sie müssen sehr stolz auf ihn sein.«
    »In der Tat. Der Ehemann meiner jüngeren Schwester arbeitet ebenfalls in der Firma. Er versteht sehr viel vom Drucken. Wir sind froh, daß er bei uns eingetreten ist. Es ist immer von Vorteil, wenn eine alte Firma wie Farraline’s in den Händen der Familie bleibt.«
    »Was drucken Sie denn?« erkundigte sich Hester.
    »Bücher. Alle möglichen Bücher.«
    Sei

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