Dunkler Grund
haben.«
»Sicher.« Sie lächelte voller Wärme. »Wenn jemand helfen kann, dann Oonagh. Ihre Mutter wird sie ohnehin ins Vertrauen gezogen haben. Ich nehme an, sie weiß, womit sie Griselda beruhigen kann.«
Das Gespräch wurde durch Alastairs Ankunft unterbrochen. Er machte einen müden, etwas abgekämpften Eindruck. Zuerst wechselte er ein paar Worte mit Oonagh, dann begrüßte er seine Frau und entschuldigte sich bei Monk für die Verspätung. Gleich nachdem der Gong ertönt war, gingen sie ins Speisezimmer.
Sie waren beim zweiten Gang, als die Peinlichkeiten ihren Anfang nahmen. Hector hatte relativ ruhig dagesessen und nur den einen oder anderen einsilbigen Kommentar abgegeben, bis er plötzlich zu Alastair hinübersah, die Stirn in Falten zog; er hatte sichtlich Mühe, seinen Neffen klar zu erkennen.
»Vermute, ’s geht wieder um diesen Fall«, sagte er verächtlich. »Laß es doch endlich bleiben. Du hast verloren. Es ist vorbei.«
»Nein, Onkel Hector«, erwiderte Alastair müde. »Ich habe mich wegen einer ganz anderen Sache mit dem Sheriff getroffen.«
Hector grunzte und sah wenig überzeugt aus, aber vielleicht war er nur zu betrunken, um zu verstehen.
»War’n schlimmer Fall. Hättest gewinnen müssen. Kein Wunder, daß du immer noch drüber nachgrübelst.«
Oonagh füllte ein Weinglas und reichte es Hector. Er nahm es dankbar entgegen, trank es jedoch nicht gleich aus.
»Alastair gewinnt oder verliert keine Fälle, Onkel Hector«, sagte sie mit sanfter Stimme. »Er muß nur entscheiden, ob die Beweise für eine Anklage ausreichen oder nicht. Und wenn sie nicht ausreichen, wäre es sinnlos, den Fall vor Gericht zu bringen. Damit würde man öffentliche Gelder verschwenden.«
»Und einen Menschen, der höchstwahrscheinlich unschuldig ist, an den Pranger stellen und in Verruf bringen.«
Oonagh warf ihm einen verblüfften Blick zu. »Richtig, das auch.«
Hector sah Monk an, als hätte er ihn ganz vergessen gehabt.
»Ach ja… Sie sind der Detektiv, richtig? Sie wollen sich vergewissern, daß mit der Anklage gegen diese Krankenschwester alles seine Richtigkeit hat.« Er betrachtete Monk äußerst ungnädig. »Hab’ sie gemocht. Nettes Mädchen. Mutig. Gehört viel Mut dazu, als junge Frau auf die Krim zu fahren und sich um die Verwundeten zu kümmern.« Jetzt war seine Miene eindeutig feindselig. »Sie sollten sich vergewissern, junger Mann! Sie sollten sich vergewissern, daß Sie die richtige Person haben!«
»Und ob ich das tun werde!« erwiderte Monk grimmig. »Sie ahnen ja nicht, wieviel mir daran liegt.«
Hector starrte ihn an, bevor er endlich und beinahe widerwillig Oonaghs Glas an den Mund führte.
»Es gibt daran keine Zweifel, Onkel Hector«, sagte Quinlan gereizt. »Wenn du ein bißchen nüchterner wärst, dann wüßtest du es!«
»Ach ja?« Hector war verärgert. Er stellte das Glas ab und verschüttete beinahe den Inhalt. Eilish rettete ihn, indem sie reaktionsschnell über den Tisch langte und einen Löffelstiel zur Seite schob. »Und warum?« wollte Hector wissen, ohne sich um Eilish zu kümmern. »Warum wüßte ich es dann, Quinlan?«
»Nun, wenn sie es nicht getan hat, dann müßte es jemand von uns getan haben«, antwortete Quinlan und entblößte die Zähne zu einem spöttischen Lächeln. »Sie war die einzige, die einen Grund hatte! Die Brosche wurde in ihrer Tasche gefunden!«
»Bücher«, erwiderte Hector zufrieden.
»Bücher?« fragte Quinlan verächtlich. »Wovon redest du? Was für Bücher?«
Wut flammte in Hectors Gesicht auf, und er dachte nicht daran lockerzulassen. »Geschäftsbücher«, sagte er lächelnd.
»Das Hauptbuch.«
Einen Augenblick lang herrschte Schweigen. Kenneth legte Messer und Gabel zur Seite.
»Mrs. Latterly weiß nichts über unsere Geschäftsbücher, Onkel Hector«, sagte Oonagh ganz ruhig. »Sie ist erst an jenem Morgen in Edinburgh eingetroffen.«
»Miss Latterly natürlich nicht«, stimmte Hector ihr mürrisch zu. »Aber wir!«
»Selbstverständlich wissen wir darüber Bescheid«, sagte Quinlan, und Monk war sicher, daß er am liebsten »du alter Trottel« hinzugefügt hätte.
»Und jemand von uns weiß auch, ob sie korrekt oder gefälscht sind«, blieb der Alte hartnäckig.
Kenneth’ Gesicht lief rot an. »Ich weiß es, Onkel Hector. Es ist mein Job, sie in Ordnung zu halten. Und sie sind korrekt… bis auf den letzten Heller.«
»Natürlich sind sie das«, sagte Oonagh unbefangen und sah zuerst Kenneth und dann Hector an.
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