Dunkler Grund
hätte.
Während der nächsten zehn, fünfzehn Minuten schleppte die Unterhaltung sich schwerfällig dahin. Monk unterhielt sich mit Deirdra, und zwar nicht, um für Oonagh Informationen zu sammeln, sondern weil er sich in ihrer Gesellschaft wohl fühlte. Sie war eine intelligente Frau, und die Art Berechnung, die ihm so zuwider war, schien ihr fremd zu sein. Aus den Augenwinkeln beobachtete er Eilish, aber ihre strahlende Schönheit ließ ihn unberührt. Charakter und Temperament gab er den Vorzug. Pure Schönheit verlieh eine Aura der Unverletzbarkeit und zog ihn wenig an.
»Haben Sie tatsächlich etwas über den Tod der armen Schwiegermama herausgefunden, Mr. Monk?« fragte Deirdra mit ernster Stimme. »Ich hoffe inständig, die Angelegenheit zieht sich nicht noch länger hin und bereitet uns Kummer ohne Ende?« Das Anheben der Stimme ließ eine Frage daraus werden, und ihre dunklen Augen waren voller Sorge.
Sie verdiente, daß man ihr die Wahrheit sagte, auch wenn er nicht gezögert hätte, sie anzulügen, wäre es seinem Ziel dienlich gewesen. »Ich fürchte, es führt kein Weg zu einer einfachen Lösung«, erwiderte er. »Strafverfahren sind immer unangenehm. Es wird niemand…«, er mußte sich dazu zwingen, es auszusprechen, »… aufgehängt, ohne daß er sich nach besten Kräften dagegen wehrt.«
Plötzlich und törichterweise wurde er von einem blinden Haß auf sie alle überwältigt, die hier in diesem mollig warmen Salon darauf warteten, zum Essen gerufen zu werden. Jemand von ihnen hatte Mary Farraline getötet und wollte es dem Gesetz überlassen, Hester an seiner Stelle zu töten. »Zweifellos wird ein guter Strafverteidiger versuchen, alle nur denkbaren Zweifel zu säen«, fügte er leise hinzu. »Das könnte sehr unangenehm werden. Sie kämpft um ihr Leben. Sie ist eine tapfere Frau, die nicht zum erstenmal Einsamkeit, Not und physischer Gefahr ausgesetzt ist. Freiwillig wird sie nicht aufgeben. Man muß sie erst besiegen.«
Deirdra starrte ihn mit großen Augen an. »Sie reden, als würden Sie die Frau sehr gut kennen!« Sie hatte die Worte beinahe geflüstert.
Monk bekam sich gleich wieder unter Kontrolle, wie ein Läufer, der gestrauchelt war und die Balance zurückgewonnen hatte.
»Das ist meine Pflicht, Mrs. Farraline. Ich kann doch nicht die Interessen der Anklage vertreten, ohne den Gegner zu kennen.«
»Oh… nein, sicher nicht. Daran hatte ich nicht gedacht.« Sie runzelte die Stirn. »Ich hab’ überhaupt nicht viel darüber nachgedacht. Alastair wird da besser Bescheid wissen. Ich nehme an, Sie haben mit ihm geredet.« Es war eher eine Vermutung als eine Frage. Sie machte einen niedergeschlagenen Eindruck. »Sie sollten unbedingt mit Oonagh sprechen. Niemand beobachtet so genau wie sie. Sie scheint immer zu wissen, was jemand wirklich meint, wenn er etwas sagt. Das ist mir oft aufgefallen. Sie kann den Menschen in die Seele schauen.« Sie lächelte. »Es ist sehr tröstlich, wenn man spürt, daß jemand einen so gut versteht.«
»Nur bei Miss Latterly hat es nicht funktioniert«, erwiderte Monk sarkastischer als beabsichtigt.
Der Unterton war ihr nicht entgangen. Sie sah ihn mit einer Mischung aus Verständnis und Mißtrauen an.
Er ärgerte sich über sich selber, weil er grob zu ihr gewesen war und weil er sich verraten hatte.
»Dafür darf man ihr keine Schuld geben«, sagte Deirdra schnell. »Sie hatte alle Hände voll zu tun, um sich um die arme Schwiegermama zu kümmern, und ihre Mutter vertraute ihr. Sie schien sich große Sorgen um Griselda zu machen.« Ein paar Falten legten sich auf ihre Stirn. »Ich hab’ ja nicht geglaubt, daß irgendwas nicht stimmt. Griselda hat sich schon immer zuviel Sorgen gemacht. Aber vielleicht war es doch etwas Ernstes? Die erste Niederkunft kann sehr problematisch sein. Aber Griselda hat wöchentlich mehrmals geschrieben, bis sogar Oonagh der Meinung war, daß Schwiegermama nach London reisen sollte, um sie zu beruhigen. Und jetzt wird das arme Kind nie erfahren, was ihre Mutter ihr sagen wollte.«
»Könnte Mrs. McIvor ihr nicht einen beruhigenden Brief schreiben?« schlug er vor.
»Ich bin sicher, das hat sie längst getan!« sagte Deirdra voller Überzeugung. »Ich wünschte, ich könnte ihr auch helfen, aber ich weiß ja nicht einmal, wovor sie eigentlich Angst hat. Ich glaube, es ging um etwas in der Krankheitsgeschichte der Familie, über das Schwiegermama sie beruhigen wollte.«
»Dann wird Mrs. McIvor es längst nachgeholt
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