Dunkler Rausch der Sinne
Bruder kurz davor war,
seine Seele zu verlieren, gab ich vor, selbst zum Vampir zu werden. Damit
hinderte ich ihn daran, auf Jagd zu gehen und zu töten, was für jene, die vom
richtigen Weg abzukommen drohen, sehr gefährlich ist. Stattdessen musste er
mich jagen.
Nachdem er jahrelang mit mir gekämpft
und mich über alle Erdteile gejagt hatte, gelang es Gabriel, uns beide in der
Erde einzuschließen.« Er lächelte reumütig. »Eine Fehleinschätzung
meinerseits. Gabriel hatte mich tatsächlich überrumpelt. Es war reiner Zufall,
dass wir beide wieder herauskamen, bevor seine Gefährtin beschloss, in die
Morgendämmerung zu gehen.«
»All das hast du für deinen Bruder getan.« Jaxon war tief beeindruckt
von seinem Opfer. Er hatte seine Geschichte sachlich erzählt, in wenigen,
nüchternen Worten, aber sie war immer noch ein Schatten in seinem Denken, und
sie konnte seine schmerzlichen Erinnerungen deutlich sehen. Alles stand
lebhaft vor ihrem geistigen Auge, die sorgfältig konstruierten Szenen von Tod
und Gewalt, gewissenhaft geplant, um seinen Zwillingsbruder, einen Mann, der
eine tödliche Waffe war und genau wusste, wie ein Vampir beim Töten vorging,
davon zu überzeugen, dass er, Lucian, auf die dunkle Seite gewechselt hatte. Es
musste ein aufreibendes Dasein gewesen sein, um es milde auszudrücken.
»Selbst als ich so etwas wie Liebe nicht mehr empfinden konnte, wusste
ich, dass ich meinen Bruder liebte und dass er sich immer meiner Führung
anvertraut hatte. Es war meine Entscheidung gewesen, für unser Volk zu kämpfen
und gegen die Osmanen in die Schlacht zu ziehen und die Untoten zu vernichten.
Gabriel folgte mir und blieb sein Leben lang treu und beständig. Er verdient
es, glücklich zu sein. Es war meine Pflicht, ihm dieses Glück zuzuführen.«
»Wessen Pflicht war es, an dein Glück zu denken?«, fragte sie leise.
Er lächelte darüber, dass sie sofort für ihn eintrat. »Ich verfüge über
ungeheure Fähigkeiten, Liebes. Ich war stark und besser geeignet als er, der
zunehmenden Dunkelheit standzuhalten. Und mehr als das, ich hatte das Licht
berührt wie nie jemand zuvor. Ich konnte jenen Augenblick nie vergessen, in dem
ich auf einen Geist traf, der so rein und schön, so durch und durch gut war. Es
war ein Geschenk, dem ich mich nicht entziehen konnte. Von da an war es mir
nicht mehr möglich, meine Seele zu verlieren. Niemals könnte ich mich von
diesem Licht abwenden. Ich kenne die Wahrheit. Ich weiß, dass wir aus einem
bestimmten Grund hier sind und dass unser Leben einen Sinn hat.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich finde es erstaunlich, wie wenig du für
dich selbst verlangst, Lucian.«
Er lachte, warm und liebevoll. »Ich würde niemals dich aufgeben,
Jaxon. Du bist alles für mich. Du bist das Einzige, was zählt. Glaub mir,
Liebste, ich bin kein Heiliger oder Märtyrer. Jetzt würde ich nicht mehr um
deine Anwesenheit in meinem Leben bitten, ich würde darauf bestehen.«
Sein Blick war plötzlich heiß und verzehrend und konzentrierte sich
völlig auf sie. Leise Erregung erwachte in ihr.
Sie fuhr sich ungeduldig durchs Haar, eine Geste, bei der sich ihre
Brüste unter dem dünnen Stoff ihrer Bluse hoben. »Warum habe ich unsere
Beziehung so schnell akzeptiert, wenn ich früher nie jemanden an mich
herangelassen habe?«
»Noch bevor du zu einer von
unserem Blut wurdest, waren dein Herz und deine Seele die andere Hälfte meines
Seins. Sowie ich die rituellen Worte aussprach, wurden wir eins.« Er nahm ihre
Hand und küsste die Innenfläche. Es war eine sehr intime und sehr erregende
Geste. »Wir gehören zusammen. Jetzt sind wir vollständig. Du bist das Licht in
meiner Dunkelheit. Ich bin das Raubtier, du bist die Barmherzigkeit. Ich
brauche dich, allein schon dazu, um Gefühle zu haben, um die Farben dieser Welt
zu sehen, um jeden Tag und jede Nacht zu genießen. Du brauchst mich, um von mir
geschützt und behütet zu werden, um dein Glück zu gewährleisten. Es ist nicht
wie die Beziehungen zwischen Menschen, sondern viel intensiver, und es wird im
Lauf der Jahre immer stärker.« Sein Blick glitt sengend heiß über sie, während
seine Finger über ihren Schenkel strichen und ihre verspannten Muskeln massierten.
»Das glaubst du? Dass wir noch vor der Geburt füreinander bestimmt
waren? Dass ich in all den Jahrhunderten deiner Existenz die einzige Frau war,
die du brauchst? Dass es für mich nur dich gibt?« Sie brachte die Worte kaum
über die Lippen, konnte kaum noch atmen,
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