Dunkler Rausch der Sinne
von uns auf diese Erde
geschickt worden ist. Wir haben Glück gehabt, einander zu finden, wenn es doch
für so viele andere keine Hoffnung gibt.«
»Glaubst du das, Lucian? Findest du wirklich, dass wir Glück hatten?
Ich habe dich in eine kranke Welt gebracht, wo jemand mich ständig verfolgt und
jeden tötet, der mir etwas bedeutet. Und du bescherst mir einen wahren
Albtraum, in dem Kreaturen aus Horrorgeschichten existieren.« Jaxons Stimme,
die durch sein weißes Seidenhemd ein wenig gedämpft wurde, klang sehr traurig.
»Ich weiß nicht einmal, ob ich wirklich aus freiem Willen bei dir bin oder ob
du mich irgendwie mit schwarzer Magie verhext hast.«
Lucian ertappte sich bei einem Lächeln. Er war höchstwahrscheinlich
das mächtigste Geschöpf auf dieser Erde. Er konnte dem Himmel gebieten. Jaxon
war knapp einsfünfundfünfzig groß und wog vermutlich keine hundert Pfund, und
doch dachte sie nicht daran, sich von ihm einschüchtern zu lassen.
Tatsächlich war Lucian an absolute
Ehrfurcht und Hochachtung gewöhnt. Selbst von den mächtigeren männlichen Wesen
seiner Rasse war er immer mit großem Respekt behandelt worden. Seit
Jahrhunderten hatte ihm niemand die Stirn geboten. Er dachte darüber nach.
Niemand bis auf die Feinde, die er vernichten musste, hatte ihm jemals
Widerstand geleistet. Nicht ein einziges Mal in all den Jahrhunderten hatte
sich irgendjemand seinem Willen widersetzt. Lucian war es gewöhnt, sich in
allen möglichen Dingen durchzusetzen. In seinen Armen fühlte sich Jaxon so
klein und zerbrechlich an. Plötzlich nahm er seine Stärke bewusst wahr, seine
Macht, etwas, das er sonst immer als selbstverständlich hingenommen hatte. Er
sog ihren Duft ein. Schon jetzt war sie die Luft, die er atmete. Das Band zwischen
ihnen wurde mit jedem Augenblick stärker.
Ein Laut ertönte, ein leiser Schrei in der Musik des Windes. Die Wölfe
wussten, dass er sich draußen auf dem Gelände befand, und kamen näher, um ihn
aufzusuchen. Da sie sehen konnten, dass er nicht allein war, blieben sie im
Wald, dunkle Schatten, die ihn beobachteten und auf ein Signal warteten.
Angreifen oder im Hintergrund bleiben? Er drang in ihre Gedankenwelt ein, indem
er ihnen Bilder übermittelte. Jaxon war Teil ihres Clans, ihres Rudels, seine
Frau, die gemeinsam mit ihm herrschte. Sie stand unter seinem Schutz. Unter
dem Schutz der Wölfe. Auf sie mussten sie vor allem aufpassen.
Jaxon hob den Kopf. »Sie sind jetzt da draußen und beobachten uns,
nicht wahr? Woher hast du sie? Man braucht alle möglichen Sonderlizenzen, um
wilde Tiere zu halten. Ich hätte gedacht, dass es sogar für dich schwierig sein
müsste, die Erlaubnis zu bekommen, wo du so nah bei der Stadt lebst. Wie ist
dir das gelungen?«
Er zuckte achtlos die Schultern. »Ich habe dem Mann bei der zuständigen
Rehörde einfach mitgeteilt, er solle mir die Erlaubnis geben, und er hat es
getan.«
Jaxon seufzte und hörte auf, sich mit ihm zu der leisen Melodie des
Windes zu bewegen. »Ich muss unbedingt weg von dir, wirklich. Ich kann nicht
glauben, dass jemand, der so realistisch und bodenständig ist wie ich, sich in
die Phantasiewelt ziehen lässt, die du geschaffen hast. Lucian, du kannst nicht
einfach deinen Kopf durchsetzen, indem du dich in das Denken der Leute
einschleichst und sie per Hypnose dazu bringst, alles zu tun, was du willst.«
Seine Augen glitzerten belustigt. »Jaxon, genau das mache ich seit
Anbeginn aller Zeiten.«
»Was
soll das heißen?«
»Seit
Jahrhunderten. Ich mache es seit Jahrhunderten.«
Jaxon hob eine Hand. »Hör auf, von Jahrhunderten zu reden. Benutze
dieses Wort nicht mehr. Irgendwie macht es mich wahnsinnig.« Sie presste eine
Hand auf ihren Bauch. »Gib mir meine Pistole zurück, bevor du diese Tiere zu
dir rufst.« Sie konnte die Augen der Wölfe in der Dunkelheit leuchten sehen. Ohne
sich dessen bewusst zu sein, rückte sie näher an Lucian heran, schmiegte sich
in den Schutz seiner breiten Schultern. »Mir wäre einfach wohler, weißt du.«
»Die Wölfe sind meine Brüder. Sie würden nie versuchen, mir oder den
Meinen etwas zu tun«, sagte er ruhig. »Es sind edle Geschöpfe, Jaxon, mit einem
strikten Ehrenkodex. Sie würden ihr Leben für uns geben. Hab keine Angst vor
ihnen.«
Ihr Herz begann zu hämmern. Sofort spürte sie, wie sich sein Herzschlag
ihrem anpasste und gleich darauf beide Herzen wieder langsamer schlugen. Sie
blickte zu ihm auf. »Was bist du?«
»Jedenfalls kein Vampir, kleine Liebste.«
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