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Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)

Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)

Titel: Dunkler Schlaf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Küchentisch, hielt mir das spitze Messer unter das Kinn und fauchte:
    »Dein Bargeld. Und zwar sofort!«
    Meine Knie fingen an zu zittern. Und dann passierte das Unglück. Ich konnte es nicht verhindern. Etwas Heißes floß an meinen Oberschenkeln herunter, was er jedoch nicht bemerkte, er achtete nur auf das Messer, das zitterte und ihn entlarvte, seine Angst. Er hatte ebenso große Angst wie ich. Ich warf einen Blick in Richtung Arbeitszimmer. Ich wollte den Safe öffnen, aber meine Beine gehorchten mir nicht. Der Mann ärgerte sich, drohte mit dem Messer, boxte mich. Nicht hart, aber ich fuhr zusammen. Er schrie, und unter dem Tuch klang seine Stimme dumpf: »Jetzt mach schon, du alte Kuh! Mach schon!«
    Ich war nur eine alte Kuh. Und er war nur ein Rotzbengel, das verriet seine Stimme. Ich blieb stehen, und er stieß mich wieder an, und endlich konnte ich meine Füße ins Arbeitszimmer schleppen. Ich stand vor dem Safe, starrte das Rad an, versuchte, mich an die Kombination zu erinnern. Meine Finger zitterten unkontrolliert, aber die Zahlen wollten mir nicht einfallen. Mir war speiübel, ich wollte nur weg. Wollte ihm alles geben, was ich besaß, viel lag ohnehin nicht im Safe, vielleicht tausend Kronen. Aber die Kombination fiel mir nicht ein. Der Mann wurde wirklich nervös; ich dachte instinktiv, daß ich ihn zur Ruhe bringen müsse, also versuchte ich, die Sache mit der Kombination zu erklären. Ich hatte sie aufgeschrieben. In einer Teekanne, keuchte ich, sie liegt in einer Teekanne in der Küche. Der Mann schrie, er habe keine Zeit. Er packte mich am Kragen. Sofort zog ich den Bademantel fest zusammen, weil ich Angst hatte, und er begriff, daß das das Schlimmste wäre. Wenn er mich so sähe, wie ich bin. Er zog mit einer Hand den Gürtel stramm, dann hob er das Messer und schnitt ihn durch. Der schwere weiße Frotteestoff glitt zur Seite. Ich wollte mich mit den Händen bedecken, aber es war zu spät. Er starrte verdutzt, wich mit seltsamem Gesichtsausdruck zurück, nicht wirklich angeekelt, er begriff nicht, was er sah. Er schüttelte nur den Kopf. Hatte vergessen, warum er gekommen war. Ganz allmählich ging es ihm auf. Er starrte meinen Darm an. Der ragt aus meiner Bauchhaut hervor und mündet in einem Beutel. Der war fast voll und außerdem zerrissen, die Messerspitze hatte ihn zerfetzt. Nach und nach floß der Inhalt auf meine Unterhose. Ich konnte sein Gesicht nicht sehen. Ich machte kehrt und stürzte in die Küche, aber er kam hinterhergerannt. Blieb mit erhobenem Messer vor mir stehen.
    »Ich scheiß auf – das da. Ich brauche Geld!«
    Hinter ihm, dachte ich, während ich spürte, wie es an mir herunterfloß, es war dünn, nicht richtig verdaut, und der Geruch breitete sich langsam aus, wo mir Sauberkeit doch so wichtig ist, hinter ihm steht die Kellerluke offen. Er achtete nicht darauf, er trat von einem Fuß auf den anderen; ich sah, daß er es kaum noch aushalten konnte, und dachte, er würde mich erstechen, wenn ich ihm nicht bald zu Willen war. Deshalb versetzte ich ihm einen Stoß. Ich hörte ihn aufkeuchen, als er rückwärts die steile Treppe hinunterfiel. Es knallte und donnerte und dröhnte auf den Stufen. Ich hörte ein widerliches, dumpfes Geräusch, als er auf den Zement aufschlug. Ein schwaches Röcheln, das einige Sekunden anhielt. Und dann war alles still.
     
    Zipp wartete. Er hörte Geräusche aus dem Haus; eine Frau, die schrie; Schritte, die sich über den Boden bewegten. Er starrte durch das Fenster, sah aber nur die Decke und die Ecke eines Bildes. Eine Ewigkeit verging. Warum kam Andreas nicht zurück? Er hielt Ausschau nach etwas zum Draufsteigen. Weiter hinten im Garten gab es einen kleinen Pavillon, dort standen ein paar Stühle. Er schlich hinüber, holte sich einen und trug ihn zum Fenster. Stellte ihn in ein Rosenbeet. Die Dornen stachen durch seine Hose. Er stieg auf den Stuhl und schaute durchs Fenster. Sah einen Küchentisch und einen gestreiften Läufer. Sonst nichts. Keinen Menschen. Alles war still. Verwirrt stand er auf dem Stuhl und wartete, fragte sich, wo die beiden stecken mochten. War die ganze Sache in den Teich gegangen? War das Schlimmste passiert? Waren die Bullen schon unterwegs? O verdammt! Er sprang wieder auf den Boden, hörte in diesem Moment jedoch ein leises Geräusch. Erleichtert fuhr er herum und spähte zur Ecke des Hauses. Niemand kam. Hatte Andreas ihm einen Streich gespielt? Hatte er bei der Oma abgezockt und war mit der Kohle abgehauen?

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