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Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)

Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)

Titel: Dunkler Schlaf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Vorwürfe, versuchte nicht, ihn umzustimmen. Aber er habe jegliches Recht, betonte er, grenzenlos enttäuscht zu sein. Und dann ging er. Später hatte er um Verzeihung gebeten. Da der Sohn diese Entscheidung getroffen habe, werde er ihn selbstverständlich unterstützen. Wenn er nur der allerbeste Polizist aller Zeiten würde. Skarre lächelte traurig.
    »Sie müssen Zipp unter Druck setzen«, sagte Winther eindringlich. »Natürlich weiß er etwas. Und wenn er die Klappe hält, dann ist es etwas Ernstes. Dann haben sie etwas angestellt. Verstehen Sie?«
    »Ja. Das verstehe ich, und ich glaube Ihnen. Wir werden an der Sache arbeiten. Und von Ihrer Ansicht ausgehen.«
    Dann ging Winther. Und Skarre dachte an das Versprechen, das er gerade gegeben hatte. Zugleich beschlich ihn ein sehr deutliches Gefühl. Nämlich, daß Andreas etwas ganz Außergewöhnliches widerfahren war.

 
    I ch schrie auf. Es war ein schriller Schrei, der im Keller widerhallte. Er starrte mich an, versuchte etwas zu sagen, aber ich machte auf dem Absatz kehrt, zog mich die Treppe hoch, streifte dabei das Kabel mit der Glühbirne. Sie schwang hin und her. Der Lichtkegel fegte durch den Kellerraum. Ich knallte die Luke zu. Rannte zur Haustür, riß sie auf, versuchte, mich zu beruhigen. Blieb eine Weile keuchend dort stehen. Dann ging ich so ruhig wie möglich auf dem Kiesweg hinters Haus. Ich begriff das alles nicht. Warum mußte mir das passieren? Die Blumen in den Beeten verwelkten bereits. Ich selbst verwelkte auch, meine Knie wollten mich kaum tragen. Ich suchte nach einer Beschäftigung für meine Hände, irgend etwas Alltäglichem, als ich den Stuhl entdeckte. Unter meinem Küchenfenster stand ein Gartenstuhl. Ich blieb stehen wie gelähmt, versuchte, das zu begreifen. Wer hatte da gestanden und in meine Küche geschaut? Eine grauenhafte Möglichkeit tat sich auf. Sie waren zu zweit gewesen. Anfangs waren sie zu zweit gewesen! Der andere hatte im Garten gewartet und den Stuhl ans Fenster gezogen. Fast wäre ich in Ohnmacht gefallen, aber dann dachte ich, nein, der, der jetzt im Keller auf dem Boden liegt, hat auf dem Stuhl gestanden. Und hereingeschaut, ehe er zum Angriff überging. Ich nahm den Stuhl und mühte mich die zwei Stufen zum Pavillon hinauf. Wenn sie zu zweit gewesen waren und der andere im Garten gewartet hatte, dachte ich, wenn er wußte, daß sein Freund noch im Haus ist, dann hätte er schon längst vor der Tür gestanden. Ich wollte meinen Körper zur Ruhe zwingen, aber meine Knie zitterten, das Zittern wanderte weiter, und schließlich bebte ich vor Wut. Ich ging wieder ins Haus und trampelte über den Küchenboden. Riß zornig die Luke hoch und schrie ihm zu: »Ich habe nichts. Nur ein paar alte Silberlöffel. Was wolltest du hier?«
    »Weiß nicht«, schluchzte er.
    Das Weinen war eine zu große Belastung für seinen geschundenen Körper. Es erstickte. Eine Weile blieb ich stehen und sah ihn an. Er sah jämmerlich aus, so klein und allein. Ich schniefte ein wenig, brachte meine Gefühle nicht unter Kontrolle, und das machte mir angst. Normalerweise habe ich alles im Griff. Ich hatte das Gefühl, in Auflösung überzugehen. Trotzdem kletterte ich wieder nach unten und setzte mich neben ihn. Nahm das Wasserglas und hielt es ihm hin.
    »Kann nicht«, murmelte er verzweifelt.
    »Du mußt. Sonst stirbst du.«
    Er schrie verzweifelt auf, aber ich hielt ihm trotzdem das Glas an die Lippen. Er öffnete den Mund, und ich goß Wasser hinein. Darauf fing er an zu husten. Und prustete mir Wasser ins Gesicht.
    »Kann nicht«, weinte er wieder.
    »Ich werde dafür sorgen, daß du gefunden wirst«, sagte ich müde.
    »Sofort«, würgte er hervor. »Worauf wartest du noch?«
    Ich schluckte hart. Eine feuerrote Sekunde lang schämte ich mich zutiefst. »Ich dachte, du wärst tot.«
    Er schwieg. Sein Körper war zu keiner Bewegung imstande. Daß jemand so still liegen konnte! Ich bin nicht boshaft. Aber da war etwas in mein Haus gekommen, womit ich nicht fertig wurde. Ich lebe allein, niemand konnte mir helfen. Eine Ewigkeit saß ich auf der Kellertreppe, die Stirn auf die Knie gestützt. Dort unten war kein Laut zu hören, ich nahm nur den Geruch von Moder, Kartoffeln und Staub wahr. Doch irgendwann hatte ich ein Rauschen in den Ohren, erst leise, dann immer lauter. Als ob jemand ein Stundenglas umgedreht hätte. Und der Sand nun nach unten flösse.
     
    Skarres Locken erregten immer Aufmerksamkeit. Jetzt starrte ein Teenie ihn vom

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