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Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)

Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)

Titel: Dunkler Schlaf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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das hatte er vielleicht satt. Diese Warterei macht mich verrückt, sie macht mich verrückt, Irma!«
    Runi brach zusammen und fing an zu schluchzen. Sie schluchzte lange, während ich nach Worten suchte. Mit Worten tue ich mich immer schwer. Ich war eher peinlich berührt, und außerdem glaubte ich, aus dem Keller leise Geräusche zu hören. Eine Art Klicken. Leise, aber deutlich. Er konnte sich nicht bewegen, also mußte das etwas anderes sein. Fieberhaft suchte ich nach einer Erklärung. Und was, wenn Runi es auch hörte? Aber sie konnte ja nicht wissen, daß Andreas mit gebrochenem Genick in meinem Keller lag. So viel Phantasie hatte sie nicht.
    »Ist er vielleicht in irgendwelche Schwierigkeiten geraten?« fragte ich. Genausogut hätte ich Wasser in einen Topf mit siedendem Schmalz kippen können, Runi fauchte sofort los.
    »Sag so was nicht! Du hörst dich genau an wie sein Vater! Andreas würde nie etwas Verbotenes tun, wenn du das andeuten wolltest. Aber in dieser Stadt ziehen so viele zweifelhafte Gestalten herum, vor allem nachts, daß ich das Schlimmste befürchte. Ich werde verrückt, wenn ich daran denke, was alles passiert sein kann.«
    Sie weinte noch immer, leiser allerdings. Ich hätte ihr etwas anbieten müssen, aber ich wußte, daß sie dann noch länger bleiben würde, und deshalb tat ich es nicht.
    »Hast du nicht einen Kaffee?« fragte sie plötzlich.
    Ich ärgerte mich, konnte aber nicht ablehnen. Sie hätte mißtrauisch werden können. Runi ist nicht sonderlich intelligent, aber sie ist auf primitive Weise schlau. Also stand ich auf und schaltete die Kaffeemaschine ein. Und dann hörte ich wieder dieses Geräusch. Runi war in Gedanken versunken. Von ihrer Zigarette stieg ein ekelhafter dünner Rauchstreifen zur Decke.
    »Du mußt überall anrufen«, sagte ich mit dem Rücken zu ihr. Ich dachte, ich muß das Gespräch in Gang halten, solange wir reden, kann sie das Geräusch aus dem Keller nicht hören. »Bei seiner Arbeit«, sagte ich also. »Hast du dich da schon erkundigt?«
    »Natürlich.«
    »Vielleicht ist er mit einem Mädchen durchgebrannt«, sagte ich. »Er ist doch so hübsch, dein Andreas. Ein Mädchen. Hatte er viel Geld bei sich?«
    »Das kann ich mir nicht vorstellen. Er verdient ja nicht schlecht, aber er teilt alles mit Zipp. Wenn er mit Zipp abgehauen wäre, könnte ich das ja noch einsehen. Aber Zipp ist zu Hause. Der ist völlig in Ordnung.«
    »Zipp?«
    »Sein Kumpel. Sie sind immer zusammen.«
    »Ach? Immer?«
    Ich nahm zwei Tassen aus dem Schrank und lauschte. Ein leises Geräusch, dünn und zart.
    »Ich werde die Polizei bitten, Andreas in den Fernsehnachrichten suchen zu lassen. Mit Bild und allem. Sie sagen, daß sie immer viele Anrufe bekommen, wenn das Fernsehen solche Suchmeldungen bringt. Sie sagen, daß immer irgendwer etwas weiß.«
    »Das kann ich mir nicht vorstellen.«
    »Doch, das haben sie gesagt.«
    »Sie? Wer denn eigentlich?«
    »Leute, mit denen ich gesprochen habe.«
    »Die Leute, die etwas wissen, werden doch auf jeden Fall anrufen, oder?« Ich raschelte mit der Filtertüte, ich beklekkerte den Tisch mit Kaffee, aber sie achtete nicht darauf.
    »Nein. Vielleicht haben sie gute Gründe zum Dichthalten.«
    »Wie denn das? Was meinst du damit?«
    Ich nahm den Zuckertopf aus dem Schrank und stellte ihn auf den Tisch. Aus dem Keller war nichts mehr zu hören. Ob er uns belauschte? Konnte er durch die Bodenbretter hindurch die Stimme seiner Mutter erkennen? Runis Stimme war so grell.
    »Stellst du bitte die Musik aus?« fragte sie. »Ich kann so nicht nachdenken.«
    »Ja, ja.«
    Ich drehte das Radio noch ein wenig leiser. Plötzlich musterte sie mich überrascht. Weil ich ihrem Willen nicht folgte. Mein Leben lang hatte ich getan, was mir gesagt worden war, und jetzt wollte ich nicht mehr. Ich ließ das Radio laufen. Sie schüttelte den Kopf.
    »Was soll ich tun?« flüsterte sie.
    »Ach, der kommt schon wieder nach Hause«, tröstete ich hilflos.
    »Du hast doch keine Ahnung! Du begreifst nicht, wie ernst die Sache ist. Zwei Tage! Überleg doch mal, was in zwei Tagen alles passieren kann!«
    »Er ist doch kein Kind mehr«, wandte ich ein.
    »Doch. Er ist mein Kind.«
    »Ich meine, er hatte sicher etwas vor. Irgend etwas, das er vielleicht nicht…« Ich verstummte und zuckte mit den Schultern.
    »Wovon redest du jetzt?«
    »Ich versuche nur laut zu denken. Du machst dir doch sonst keine Sorgen um ihn.«
    »Aber er ist verschwunden!«
    »Ja.«
    Ich legte ihr

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