Dunkler Schnee (German Edition)
auch, dass es falsch war, vor jedem Einschlafen noch mindestens einen Magenbitter zu trinken. Sie wusste auch, dass ihre morgendliche Übelkeit auf nichts anderes als den Alkohol zurückzuführen war. Und sie wusste, dass sie Hilfe brauchte.
Langsam setzte sie die Flasche an den Mund.
24. Nova Scotia – Ein Plan
„Das nächste Mal kommst du nicht davon! Aber um das zu verhindern, gibt es einen Ausweg: Du weißt schon … ich melde mich, bleib auf Empfang!“, lautet die Nachricht im Display des Handys.
„Er will mir Angst machen, er will mich einschüchtern, das ist alles! Was kann er schon tun? Er kann nichts gegen mich verwenden! Es interessiert doch keinen mehr, mit wem ich ins Bett gehe oder wo ich bin!“
Adam sieht schweigend zu, wie Marisa auf Deutsch vor sich hin redend in der Küche auf und ab geht. Sie wirft ihm einen Blick zu und weiß, dass sie ihm antworten sollte. „Von wem ist die Nachricht?“ Die Frage hängt wie eine zu volle Waagschale seit Sekunden zwischen ihnen. Sie muss in die andere Schale etwas werfen, doch wie kann sie? Immer noch ist ihre eigene Balance in großer Gefahr.
Von wem ist die Nachricht? Sie hat es mal wieder nicht wahrhaben wollen, dass die Geschichte immer noch nicht vorbei ist. Dass aus der völlig abstrusen Idee einer Erpressung dieser Rattenschwanz entstand. Sie bleibt stehen und sieht Adam an.
„Von Georg, meinem Ex-Chef.“
Sie greift sich an den Kopf. „Ich glaube, ich fange jetzt erst an zu verstehen“, sagt sie und blickt Adam an, als könne er dies bestätigen. „Der Einbruch in meine Wohnung … ich dachte eine Zeit lang, Volker wäre es gewesen! Dann schob ich es auf einen Unbekannten, weil ich mir nicht vorstellen wollte, dass Volker so etwas tut! Aber das muss Georg getan haben! Was haben Laurens und Georg miteinander zu tun?“ Sie grübelt einen Moment. Details aus der Vergangenheit schießen in ihr Gedächtnis, Vertraulichkeiten auf der Arbeit, Nicken und Lächeln zwischen den beiden Männern, es war keine Freundschaft, es war Komplizenschaft! Vermutlich ist Laurens gar kein Masseur, er ist nur ein Verbrecher, der irgendwie mit Georg in Kontakt geraten ist. Wahrscheinlich haben sie Spielschulden. Oder Laurens hat bei Georg Schulden, wie auch immer. Sie sinkt auf einen Stuhl.
Stockend berichtet sie Adam von ihren Überlegungen und von den Ereignissen in Köln. Adam schüttelt hin und wieder den Kopf und steht zwischendurch auf. Wie zufällig blickt er aus dem Fenster, und Marisa weiß, dass er nach dem Van Ausschau hält. Sie spürt seine Angst, die ihre eigene noch verdoppelt. Trotzdem behagt es ihr, dass er weiterhin zu seinem Hilfeangebot steht.
„Warum bist du so sicher, dass es dieser Georg ist?“, fragt Adam.
Tonlos antwortet sie: „Die Beschreibung des Tankwarts von dem Mann, der das Quad gemietet hat, passt nur auf Georg.“ Sie steht wieder auf und geht rastlos umher. „Als Laurens damals wieder auf freien Fuß kam, verschwand er so schnell, wie er konnte.“ Sie seufzt. „Mein Vater bekam einen Herzinfarkt und brauchte lange, um sich zu erholen. Meine Mutter hat ihn schließlich überredet, von der Politik die Finger zu lassen und auch beruflich kürzer zu treten. Ich glaube, er war dankbar, dass sie ihn so gedrängt hat, dann konnte er nach außen sagen, es für die Familie zu tun und nicht etwa, weil er schwächelte.“ Marisa lächelt ein wenig. Adam greift das auf: „Ein guter Entschluss. Dein Vater hat dich sehr lieb, nicht wahr?“
Marisa nickt. „Ja, das hat er. Und ich werde ihm nie wieder einen solchen Kummer bereiten, das schwöre ich! Und wenn dieser Arsch von Georg es wagt, meine Eltern noch mal in die Geschichte mit reinzuziehen, bringe ich ihn um!“
„Das heißt, du willst das hier durchstehen ohne Hilfe von Deutschland.“
„Absolut, ja!“
„Okay, dann lass uns einen Plan schmieden!“
„Da ist noch was, was du wissen solltest.“
„Ja?“
„Ich hatte nach der ganzen Geschichte eine Art Zusammenbruch … ähm“, sie räuspert sich, „ und bin dann freiwillig in eine Klinik gegangen. Ich hatte … nun ja, ich hatte Probleme mit Alkohol und ich möchte dich bitten, mich daran zu erinnern, wenn ich wie gestern ein Bier nach dem anderen trinke.“ Sie sieht ihn schüchtern an. Es ist ihr mehr als peinlich, dieses Eingeständnis zu machen, aber Adam reagiert gelassen. „Kein Problem. Wenn’s dir damit besser geht, trinke ich eben auch nichts in deiner Gesellschaft.“
Marisa atmet auf.
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