Dunkler Schnee (German Edition)
„Danke.“
„So“, Adam drückt Marisa auf einen Stuhl und setzt sich daneben, „schreib bitte den Namen dieses Mannes auf. Als Erstes müssen wir herausfinden, wo er sich einquartiert hat.“
„Wie sollen wir das anstellen? Halifax ist zwar keine riesengroße Stadt, aber groß genug, um sich zu verstecken.“
„Wenn Georg wegen Geld hinter dir her ist, wird er sich ein kleines Hotel oder ein Bed and Breakfast gesucht haben, weil er sich nichts anderes leisten kann, richtig?“ Marisa nickt.
„Du kennst doch David – David ist Geschäftsführer des Casinos und kennt alle Hotelmanager in der Stadt. Die wiederum haben einen guten Überblick über die privaten Unterkünfte. Jetzt im Winter ist nicht viel los mit Touristen, es dürfte nicht allzu schwer sein, den Mann zu finden. Alle Campingplätze sind geschlossen, das heißt, dort brauchen wir schon mal nicht zu suchen – wir werden ihn aufspüren!“
Adam verschwindet mit dem Telefon im Wohnzimmer, um seine Suchaktion zu starten. Marisa hört ihn mit David plaudern und dann Georgs Namen buchstabieren. Sie sucht in ihrer Handtasche nach dem Kalender, in dem auch die Telefondaten ihrer Freunde stehen. Schnell findet sie die Nummer ihrer Ex-Kollegin Elke.
Nachdem Marisa in der Praxis mehrmals durch Unregelmäßigkeiten auffiel, hatte Georg ihr gekündigt. Die Kündigung sieht sie nun auch mit anderen Augen. Grimmig tippt sie Elkes Nummer in ihr Handy; wenn Georg hier ist, kann er nicht gleichzeitig in der Praxis sein … Nach wenigen Sekunden ist die Verbindung über den Atlantik hergestellt. „Elke! Hier ist Marisa. Wir haben lange nicht miteinander gesprochen, was? Hör zu, ich bin in Kanada und möchte mich kurz halten. Du könntest mir einen Riesengefallen tun! Pass auf! …“
Es dauert drei Stunden, bis die Rückmeldung von David kommt. Er berichtet, ein Deutscher namens Georg Müller habe sich bei einer Mrs. Whinehouse im Ortsteil Waverley einquartiert. Es handele sich um eine Privatfrau, die ein Zimmer mit Frühstück an Touristen vermiete.
„Gut. Und nun?“, fragt Marisa, als Adam die Neuigkeiten mitteilt.
„Er weiß nicht, dass wir wissen, dass er es ist, der dir nachstellt, richtig?“
Marisa nickt.
Adam fährt fort. „Er weiß aber, wo wir sind, vermutlich hat er sich auch über mich erkundigt, und wir haben keine Ahnung, wann er uns beobachtet. Es kann also sein, dass er uns auf die Schliche kommt, wenn wir uns plötzlich in Waverley sehen lassen. Wir kommen ohne Hilfe nicht aus.“
„Du hast aber doch gesehen, wozu er in der Lage ist! Wir wären nur noch Kompott, wenn nicht ein Augenzeuge bei dem Vorfall mit dem Zug gewesen wäre!“
„Das glaube ich nicht. Er wollte uns einen Schrecken einjagen, mehr auch nicht. Wenn er Geld von dir will, braucht er dich lebend, richtig?“
Marisa nickt wieder, es leuchtet ein, was Adam sagt; sie selber sieht es genauso, trotzdem hat sie Angst um Adam. Sie will nicht, dass noch jemand in Gefahr gerät.
„Ich habe einen Freund, der uns helfen kann“, überlegt Adam weiter, „er arbeitet für eine Firma, die Sicherheitskameras installiert an Banken, Schulen, Supermärkten und so weiter. Ich würde ihn gerne einweihen und mit ihm zusammen überlegen, was wir tun können.“
„Was ist das für ein Mensch? Traust du ihm?“
Adam grinst jungenhaft. „Natürlich.“
„Dein Liebhaber?“
„Gelegentlich.“ Adam grinst noch mehr, und seine Wangen werden rot.
Marisa grinst auch. „Okay, wenn das so ist, dann vertraue ich ihm auch. Darauf brauche ich ein Wasser!“ Sie bedient sich am Kühlschrank. Adam telefoniert schon wieder. Sie hört ihn eine Verabredung fürs „O’Carroll‘s“ machen, einem irischen Pub in Halifax Downtown.
25. Die Kündigung
„Marisa! Wie schön, dass du wieder da bist!“ Elke umarmte Marisa und drückte ihr rechts und links auf die Wangen einen Kuss; sie hatten sich fast zwei Monate lang nicht gesehen. Gleich nach Weihnachten war Marisa in eine Klinik gegangen, um sich psychiatrisch behandeln zu lassen. Ihr Alkoholkonsum hatte an den Festtagen einen traurigen Höhepunkt erreicht. Claus Demmer hatte einen Herzinfarkt erlitten, und Marisa hatte ihrer Mutter nicht zur Seite stehen können, weil sie benebelt im Bett gelegen hatte.
Im nächsten klaren Augenblick hatte sie einen Koffer gepackt und die Nummer eines Psychiaters hervorgekramt, die sie von ihrem Vater bekommen hatte.
„Es reicht“, hatte nicht nur ihr Inneres gesagt, sondern auch ihr Spiegelbild
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