Dunkler Spiegel
und seinem Stab zu bleiben, die ihm größere Freude bereiteten als alles, was er allein, und das meiste, was er in Gesellschaft unternahm; allerdings nur, wenn die Maschinen das taten, was er ihnen befahl – oder er sie korrigieren konnte, wenn sie ihn im Stich gelassen hatten. Das Quartier war durchaus bequem, wie alle Unterkünfte der Führungsoffiziere; es stellte einen sicheren Schlafplatz dar und war komfortabel eingerichtet, aber ansonsten unauffällig.
Deshalb war er leicht überrascht, als er es nach dem Ende seiner Schicht betrat und feststellte, daß Counselor Troi dort auf ihn wartete. Sie saß auf der Bettkante und lächelte ihn an.
Als er sie erblickte, bekam er es unwillkürlich mit der Angst zu tun. Das war die klügste Reaktion, die sich in bezug auf die Counselor einstellen konnte, wie man wußte, wenn man schon so lange an Bord dieses Schiffes war wie LaForge und die Geschichten kannte, die die Runden machten.
»Mr. LaForge«, sagte sie leise und schaute unter diesen dunklen Brauen zu ihm hoch.
»Counselor«, sagte er, und seine Anspannung ließ etwas nach – wenn auch nicht viel. Bislang hatte er das schreckliche Stochern in seinem Verstand noch nicht wahrgenommen, von dem viele Besatzungsmitglieder berichten konnten. Ja, es traf zu, daß sie sich nicht immer so benahm; sie neigte wie die meisten Betazoidinnen zu unerklärlichen Stimmungsschwankungen, gab sich manchmal beiläufig freundlich, viel öfter aber tödlich oder einfach nur neugierig. Wenn sie in der letzteren Stimmung war, mußte man sie am meisten fürchten. Bei diesen Gelegenheiten schlenderte sie durch den Verstand anderer Leute wie sonst durch einen Korridor, gemächlich, geistesabwesend, nahm hier einen Gedanken oder ein Gefühl auf und schaute dort nach, ob es für sie gefährlich oder lediglich amüsant war. Im letzteren Fall konnte man sich dann irgendwann davonschleppen, schwitzend und mit dem Gefühl, dringend baden zu müssen, aber unglaublich erleichtert, daß sie diese Vorstellung oder dieses Gefühl nicht als Bedrohung für das Schiff angesehen hatte. Und wenn sie einen gefährlichen Gedanken wahrnahm, endete man im Agoniesimulator, in dessen Kabine Troi den Schmerz die Barrieren des Geistes durchbrechen ließ, mit schrecklicher professioneller Hingabe stundenlang jeden einzelnen Gedanken in einem Gehirn abklopfte und nach der einen schwachen Stelle suchte, die die Neigung zur Schwäche oder zum Verrat darstellte. Sobald sie sie gefunden hatte, gab es keine Gnade mehr. Niemand, der der Enterprise schaden oder – noch schlimmer – sie im Stich lassen würde, hatte die Kabine je lebendig verlassen, und das Entsetzen im Kreischen dieser Todeskandidaten war viel schlimmer als die üblichen Schmerzensschreie. Die Counselor hatte Erfahrung darin, den Verdammten die größte Strafe zukommen zu lassen, bevor sie endlich sterben durften. Und für jene, die davon auch nur leicht gestreift worden waren, war diese amüsierte Betrachtung, die sie in ihrem Verstand wahrnahmen und die sie beim Sterben beobachtete – selbst im letzten Augenblick blieb einem die Privatsphäre verwehrt –, der größte Schrecken überhaupt.
Als LaForge die Counselor also betrachtete, als säße der Tod persönlich betont zurückhaltend und ruhig auf seinem Bett, gelangte er zur Ansicht, diese Reaktion sei ihm zu verzeihen. Schließlich konnte Vorsicht nie schaden. Aber die Counselor schien im Augenblick mit den Gedanken ganz woanders zu sein. Auch darüber waren unter der Mannschaft Geschichten im Umlauf. Es schien Zeiten zu geben, da Betazoidinnen offensichtlich stärker als gewöhnlich an der... sinnlichen Seite des Lebens interessiert waren, und die geflüsterten Gerüchte besagten, daß die Counselor es verstand, solch ein Erlebnis für die daran beteiligte Person außergewöhnlich... interessant zu machen. Das war sozusagen die andere Seite der Münze, die Fähigkeit, die Begrenzungen eines Verstandes wie einen Vorhang beiseite zu schieben. Ein dermaßen verstärktes und erhöhtes Vergnügen, daß es in seiner Intensität fast unerträglich war... davon sprachen die Gerüchte, die wenigen, die im Umlauf waren. Die Liebhaber der Counselor waren eigentlich immer sehr schweigsam, wenn auch nur, weil ihre Wut mörderisch sein konnte, wenn sie den Eindruck hatte, von jemandem verraten oder betrogen worden zu sein. LaForge hätte sich nie träumen lassen, daß er sich einmal in solch einer Lage wiederfinden würde. Doch als er sie nun ansah,
Weitere Kostenlose Bücher