Dunkler Spiegel
und arbeitete liegengebliebene Akten auf – die Auswertung der anomalen Gewebeproben bei einer routinemäßig vorgenommenen Serologie –, als einer der Sicherheitswächter sich meldete: »Ryder an Dr. Crusher.«
Sie berührte geistesabwesend ihren Kommunikator. »Ja, Brendan, was gibt es?«
»Doktor, ich glaube, wir sollten Stewart besser auf die Krankenstation zurückbringen.«
»Warum?« fragte sie und setzte sich aufrecht. »Was ist los mit ihm?«
»Na ja, er hat geschlafen, und mir kam sein Atem ziemlich komisch vor. Also habe ich ihn geweckt – oder es versucht. Er wachte nicht auf, jedenfalls nicht vollständig. Er liegt hier, sieht ganz benommen aus und scheint nicht sprechen zu können.«
»Bringen Sie ihn sofort zu mir!« sagte Beverly, stand auf und eilte aus ihrem Büro. Sie stellte fest, daß diese Entwicklung sie irgendwie ganz und gar nicht überraschte: Sie hatte den ganzen Abend schon ein komisches Gefühl gehabt, das Gefühl, jeden Augenblick könnte etwas schiefgehen oder schlimmer werden, als es bislang war. »Bob«, sagte sie zu dem Pfleger der Spätschicht, »ist Nummer drei wieder frei? Legen Sie Stewarts Bio-Werte darauf, ich brauche sie für eine neue Untersuchung.«
»Er kommt zu uns zurück?« sagte Lieutenant Rawlings und ging zu dem Bett. Wie zur Antwort öffnete sich die Tür zur Krankenstation, und Ryder und Detaith kamen herein. In ihrer Eile hatten sie nicht einmal eine Gravbahre besorgt, sondern Stewart einfach zwischen sich genommen.
Sie legten ihn schnell, aber vorsichtig auf das Diagnosebett, und Beverly trat hinzu, warf einen Blick auf die gespeicherten Werte und beobachtete dann, wie sie sich veränderten. Stewarts Temperatur näherte sich den neununddreißig Grad, er war bleich und schweißnaß, sein Atem ging röchelnd, und obwohl seine Augen teilweise geöffnet und seine Pupillen Reaktion zeigten, war er eindeutig benommen.
Sie fuhr mit dem Medoscanner über seinen Körper und studierte die Ergebnisse auf der Bettanzeige. Eine Infektion , dachte sie, aber woher hat er sie, verdammt? Die Symptome schienen den schrecklichen alten Infektionen der Atemwege wie Diphtherie oder Typhus zu ähneln. Selbst heutzutage waren sie noch nicht im gesamten bekannten Weltraum ausgerottet. Alte Krankheitserreger blieben jahrelang untätig oder mutierten zu medikamentenresistenten Formen und mußten dann mit neuen Methoden bekämpft werden.
Beverly schluckte, als das Diagnosebett meldete, daß es im Blut des Patienten vor Viren nur so wimmelte. Vor vier Stunden waren sie noch nicht vorhanden! dachte sie mit wütendem Protest, doch ihr Ärger half ihrem Patienten nicht weiter. Zuerst einmal war die Behandlung der Symptome angesagt, dann die genaue Analyse des Virus oder der virenähnlichen Erreger.
Bob war mit gefüllten Injektoren neben sie getreten. »Aerosal?«
Sie nickte und warf einen Blick auf den Injektor, den er ihr reichte. »Verdoppeln Sie die Dosis; ich will, daß seine Temperatur schnell fällt. Dann ein Breitband-Virostatikum.« Bob reichte ihr einen zweiten Injektor, der diesmal mit Scopalovir gefüllt war. »Genau«, sagte sie. »Beamen Sie eine Blutprobe aus ihm und lassen Sie Helen das Virus untersuchen und Antikörper herstellen. Dann behandeln Sie ihn mit dem Immunstimulator und entfernen Sie die Flüssigkeit aus der rechten Lunge – sie ist verstopfter als die linke. Ich bin sofort wieder da.«
Sie trat in ihr Büro, wartete, bis die Tür sich geschlossen hatte, und berührte ihren Kommunikator.
»Krankenstation an Riker.«
»Riker. Was gibt's, Doktor?«
»Stewart hat Fieber – und auch sonst ist einiges mit ihm nicht in Ordnung. Er steht kurz vor einem Herzversagen. Sein Blut ist voller Viren.«
»Lebensbedrohend?«
»Ich glaube schon.«
»Ansteckend?«
»Unbekannt, aber irgendwie bezweifle ich das.« Sie schaute grimmig drein. »Sollte seine Enterprise ihn jetzt nicht irgendwann abholen?«
Es folgte ein kurzes Schweigen.
»Verdammt« , sagte Riker dann.
»Genau das habe ich auch gedacht. Steht der Captain zur Verfügung? Man sollte ihn informieren.«
»Er ist gerade aufgewacht und hat mir mitgeteilt, daß wir ihn in etwa zwanzig Minuten auf der Brücke erwarten können.«
»Dann bitten Sie ihn lieber, auf die Krankenstation zu kommen.«
»Mache ich. Ende.«
Beverly ging wieder hinaus und stürzte sich in den Kampf um Stewarts Leben.
Eine halbe Stunde später schaute Beverly von ihrem Schreibtischterminal auf und sah, daß Picard die
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