Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)
werden. Warum?«
»Meine Mutter hat gesagt, ich soll mich von ein paar Männern in der Gegend fernhalten.«
»Aha?«
Er schaute aus dem Fenster auf einen Hund, der mit einem Seil auf der Ladefläche eines Pickups angebunden war. Pete kaute an seinem Daumennagel. Seine Augen hatten jeden Glanz verloren.
»Man sollte einen Hund nicht hinten auf einem Pickup anbinden. Wenn er runterfällt, wird er zu Tode geschleift. Der hat nicht die geringste Chance«, sagte er.
»Was sind das für Männer, Pete?«
»Leute, die mein Vater mal gekannt hat.« Er schaute immer noch mit ausdrucksloser Miene aus dem Fenster. »Meine Mutter hat die Geschichte erfunden, daß er beim Militär umgekommen ist. Er ist eines Tages einfach weggegangen und nicht wieder heimgekommen.«
»Vielleicht solltest du dich nicht zu sehr damit beschäftigen.«
»Es macht mir nix aus. Wenn einen die Leute nicht mögen, sind sie’s nicht wert, daß man sich drüber aufregt. So seh ich die Sache.«
Dann grinste er wieder, als ob ihm nichts auf der Welt etwas anhaben könnte.
Jack Vanzandt wohnte in einem großen Haus, dessen Baumaterial, alte Ziegel und spanische Schmiedeeisenverzierungen, von einer abgerissenen Plantage in Louisiana stammte. An der Vorderseite des rund drei Hektar großen Gartens führte ein mit schattenspendenden Bäumen bestandener Hang von der Straße hinauf zu der breiten, von weißen Säulen gesäumten Veranda, der Garage mit den vier Stellplätzen, über der sich die Unterkünfte für das Personal befanden, zu den zwei Sandplätzen zum Tennisspielen, einem abgeschirmten, vom Sonnenlicht gesprenkelten Pool, einem blankgeputzten Gästehaus und einer Satellitenschüssel, die so groß war wie ein Scheunentor.
Seine erste Frau war bei einem Verkehrsunfall auf einer Brücke über dem Flußtal des Pecos ums Leben gekommen. Die zweite Frau, Emma, stammte aus Shreveport, wo ihre Eltern eine fundamentalistische Kirchengemeinde geleitet, dann ein kleines Versandhaus gegründet hatten und mit dem Verkauf von Hochzeitstorten zu bescheidenem Wohlstand gekommen waren. Wenn Emma sich auf öffentliche oder wohltätige Aufgaben stürzte, schien sie vom gleichen unternehmerischen Geist beseelt. Sie hatte eine unbändige Energie, verlor aber auch schnell die Geduld, wenn sie mit der Arbeit anderer Leute nicht zufrieden war, und machte sie schließlich lieber selbst. Sie war stets höflich, genau wie ihr Mann, und sah hinreißend aus mit ihren hohen Wangenknochen und den langen schwarzen Indianerhaaren. Aber man hatte stets das Gefühl, daß man sie sich lieber nicht zum Feind machen sollte.
»Wie geht’s Ihnen, Billy Bob?« fragte sie, als sie sich von ihrer Arbeit im Rosenbeet aufrichtete, einen Baumwollhandschuh auszog und mir die Hand reichte.
»Tut mir leid, daß ich euch am Sonntag belästige, Emma«, sagte ich.
»Wir freuen uns doch jedesmal, wenn wir Sie sehen. Haben Sie Ihren Tennisschläger mitgebracht?«
»Nein, ich muß heute leider Baumwolle häckseln. Ist Jack da?«
»Wollen sie ihn etwa fotografieren?« fragte sie und warf einen Blick auf die Polaroidkamera in meiner Hand.
»Eigentlich nicht«, sagte ich und lächelte.
Jack kam auf die vordere Veranda heraus. Er hatte ein geeistes, mit einer Serviette und einem Gummi umwickeltes Cocktailglas in der Hand.
»Vertragen Sie einen Gin Tonic?« fragte er.
»Ich will mich nicht lange aufhalten, nur ein, zwei Minuten«, sagte ich.
Er musterte mich. »Kommen Sie mit nach hinten«, sagte er dann. »Ich zeig Ihnen ein Stück von einem indianischen Grabhügel, den Emma freigelegt hat.«
Wir spazierten unter den Bäumen auf einen weißen Pavillon zu. Nach dem Unwetter, das letzte Nacht getobt hatte, war der Rasen mit Kiefernnadeln und abgerissenen Blütenblättern der Rosen übersät.
»Meine Privatdetektivin hat sich Darls Akte mal vorgenommen«, sagte ich. Ich schaute geradeaus, auf den Erdhaufen, die Düngemittelsäcke und die eingetopften Hortensien am Rande eines frisch umgegrabenen Blumenbeets.
Jack räusperte sich leicht. »Warum das?« fragte er.
»Weil es nicht gut ist, wenn man im nachhinein festgestellt, daß die Gegenpartei schweres Geschütz auffährt. Darl wurde viermal wegen Gewaltanwendung festgenommen. Unter anderem hat er eine Bedienung in einer Bar verprügelt, hab ich recht?«
Jack kauerte sich neben den schwarzen Erdhügel, hob eine Tonscherbe auf und rieb sie mit den Fingern sauber. Mitten auf seinem Kopf war eine kreisrunde Stelle, an der seine goldblonden
Weitere Kostenlose Bücher