Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)
sie kundtun, daß sie sich auf einer öffentlichen Straße befanden und daher das Recht hatten, sich so zu benehmen, wie sie wollten.
Darl hatte eine tote Katze in der Hand, hielt sie am Schwanz und holte Schwung, ließ sie dann los und schleuderte sie an die Fliegengittertür.
Ich ging auf die Veranda, hatte mein Funktelefon am Ohr.
»Ich habe bereits die Polizei gerufen, Darl. Haun Sie sich lieber ins Heu«, sagte ich.
»Ich tret Ihnen in den Arsch. Glauben Sie mir etwa nicht, Sie mieser verlogener Drecksack? Kommen Sie raus, dann zeig ich Ihnen, was Sache ist«, sagte er.
Ich ging auf ihn zu. Seine weit auseinanderstehenden grünen Augen wirkten unstet, so als kämen viele Sachen gleichzeitig auf ihn zu. Schweißperlen standen auf seiner Oberlippe, die Nasenflügel waren aufgebläht und bleich. Sein Atem roch nach Bier, gegrilltem Fleisch und Zwiebeln.
»Ich will Ihnen nichts anhängen. Und Lucas ebensowenig. Gehen Sie heim«, sagte ich.
»Sie gehn mir tagtäglich auf den Geist. Sie verbreiten überall Lügen über mich.«
»Haben Sie und Ihre Freunde etwa eine fremde Katze umgebracht? Meint ihr, mit so was könnt ihr euch vor anderen Leuten aufspielen?«
»Ich hab keine Angst vor Ihnen.«
Ich baute mich zwischen ihm und der Straße auf, kehrte seinen Freunden den Rücken zu, so daß er sie nicht mehr sehen konnte.
»Diesmal kann Bunny Vogel Sie nicht raushauen«, sagte ich. »Sie sind zugedröhnt, und Sie haben Schiß. Wenn Sie mich dazu zwingen, zeig ich den anderen, was für ein Schisser Sie sind«, sagte ich.
»Wenn ich Schiß hätte, war ich nicht hier.«
»Sie haben Angst vor sich selbst, Darl. Ihre Leute wissen es. Und die Jungs da draußen ebenfalls, unterschwellig jedenfalls. Die haben doch alle bloß Mitleid.«
Er machte den Mund auf, wollte etwas sagen. Doch er brachte nur einen dumpfen, erstickten Laut hervor. Ich sah ihm an den Augen an, wie seine Entschlossenheit, der ganze Kampfesmut, den er im Chor der röhrenden Motoren auf der Fahrt hierher gefaßt hatte, mit einemmal dahinschmolz.
»Reden Sie mit Ihrem Vater. Lassen Sie sich von jemandem helfen. Aber machen Sie so was nie wieder«, sagte ich.
»Ich bin die ganze Woche krank gewesen. Ich hab die Grippe gehabt. Von Ihnen muß ich mir gar nix bieten –«
Ich packte ihn am Oberarm. Er fühlte sich schlaff an, weich und schwammig, so als hätten die vielen Pillen seine Muskeln zersetzt. Ich hielt ihm die Autotür auf, schob ihn hinein und schlug sie hinter ihm zu. Seine Augen glänzten feucht, er war kreidebleich und hatte rote Flecken im Gesicht.
»Wollen Sie, daß ein Polizist Sie heimfährt?« fragte ich.
Er antwortete nicht. Draußen war es eine ganze Weile still, nachdem ich wieder ins Haus gegangen war. Dann hörte ich, wie der Motor angelassen wurde und die Reifen über den Kies knirschten, als er zur Straße zurücksetzte. Die anderen schauten sich an, wußten nicht genau, was los war, dann folgten ihm ein paar, und einige kehrten um und fuhren in die Stadt zurück. Sie kamen mir alle so vor, als versuchten sie sich inmitten eines Vakuums ihr eigene Welt zu schaffen.
Der Country Club war seit seiner Gründung Anfang der vierziger Jahre ausschließlich für Weiße zugänglich – zunächst aufgrund der seinerzeit geltenden Gesetze zur Rassentrennung, danach aus Gewohnheit, Trotz und Sturheit. Auch in einer Zeit, in der die Städte mit Graffiti verschandelt wurden und Obdachlose und Geisteskranke die Straßen bevölkerten, war er eine Insel des Wohlstands und der Glückseligkeit geblieben.
Die Platzwärter sorgten dafür, daß der Rasen regelmäßig bewässert und mit flüssigem Stickstoff gedüngt wurde, damit die Fairways das ganze Jahr über smaragdgrün blieben, egal wie trocken oder kalt es war. Der Swimmingpool war kleeblattförmig angelegt, und die Menschen, die in das türkise, in der Sonne gleißende Wasser stiegen, strahlten förmlich vor Kraft und Gesundheit, so als wollten sie die alte Bücherweisheit bestätigen, wonach die Reichen ganz anders sind als wir Normalsterblichen.
Das Clubgebäude war blendend weiß, hatte eine runde Auffahrt, ein von Säulen gesäumtes Portal und ein verglastes Restaurant samt Terrasse, auf der man im Schatten der Palmen und Bananenstauden sitzen konnte, die in den Wintermonaten ins Treibhaus gebracht wurden. Auf der einen Seite war die Anlage durch eine undurchdringliche Hecke von der Außenwelt abgeschirmt, auf der anderen durch das Steilufer und den träge dahinströmenden
Weitere Kostenlose Bücher