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Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Titel: Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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grünen Fluß. Kriege und Wirtschaftskrisen mochten kommen und gehen, doch den Country Club von Deaf Smith würde das nicht berühren; er war ein Refugium, dessen Atmosphäre sich ebensowenig änderte wie die europäische Speisekarte im Restaurant.
    Ich war dementsprechend gekleidet, trug meinen gestreiften beigen Anzug, glänzende Korduanstiefel, ein weiches blaues Hemd und eine bonbonrot gestreifte Krawatte. Doch gute Kleidung allein gab einem noch lange nicht die Gewähr, daß man im Post Oaks Country Club willkommen war.
    Ich stand neben Jack und Emma Vanzandts Tisch. Hinter mir druckste der Oberkellner herum, eine Speisekarte in der Hand. Jack und Emma aßen Krabbencocktail aus großen Gläsern, die in Silberschalen voller zerstoßenem Eis ruhten.
    »Möchten Sie lieber draußen mit mir reden?« sagte ich zu Jack.
    Er wischte sich mit der Serviette den Mund ab und schaute durch die hohe Glasdoppeltür auf das Übungsgrün, wo etliche Männer Putten trainierten. »Ist schon gut, André«, sagte er zum Oberkellner.
    Dann warf er einen kurzen Blick auf den freien Stuhl ihm gegenüber, verlor aber kein Wort. Offenbar hieß das, daß ich Platz nehmen sollte.
    »Danke, Jack«, sagte ich.
    Der Raum war in goldenes und silbernes Licht getaucht, und Emmas schwarze Indianerhaare fielen in langen, dichten Flechten auf ihre bloßen Schultern. Ihr Rubinhalsband lag wie getrocknete Blutstropfen auf den fein modellierten Schlüsselbeinknochen.
    »Ihr Sohn war heute draußen bei mir. Der Junge ist krank. Unternehmen Sie etwas mit ihm«, sagte ich.
    »Und deshalb stören Sie mich beim Abendessen?« fragte Jack.
    »Ich sag Ihnen mal, welches Menü derzeit auf den Straßen von Deaf Smith angeboten wird. Purple Hearts, Black Beauties, Rainbows, Muntermacher, Ballermänner, Yellow Jackets und bestes weißes Pulver, falls jemand auf Crack abfährt. Ich habe gehört, daß Darl alles nimmt. Wenn Sie nicht wollen, daß man Sie eines Nachts aus dem Bett klingelt, dann sorgen Sie zumindest dafür, daß er sich von meinem Haus fernhält.«
    Er legte die Cocktailgabel neben den Teller und wollte etwas sagen. Doch Emma legte ihm die Hand auf den Unterarm.
    »Tut uns leid, daß er Sie belästigt hat. Wenn es wieder vorkommt, rufen Sie Jack oder mich an. Möchten Sie sich etwas bestellen?« fragte sie.
    »Beenden Sie das. Ihnen kann ich nichts vorwerfen. Genau wie der Sheriff. Aber der ist jetzt tot«, sagte ich.
    Sie starrten einander an.
    »Haben Sie das nicht gewußt?« fragte ich.
    »Wir kommen gerade aus Acapulco zurück«, sagte Jack.
    »Jemand hat sich von hinten mit einer Axt an ihn rangeschlichen«, erklärte ich.
    »Das ist ja schrecklich«, sagte Emma.
    »Er hatte allerhand Feinde. Jede Menge«, sagte Jack. Doch er wirkte in sich gekehrt, so als gingen ihm allerlei Gedanken durch den Kopf.
    »Ich habe dem Sheriff gesagt, daß Darl meiner Meinung nach Jimmy Cole umgebracht hat. Ich weiß nicht, ob da irgendein Zusammenhang besteht oder nicht«, sagte ich.
    Emma hatte die Augen geschlossen. Sie hatte schwarze Wimpern; ihre Lider wirkten wie Papier, das mit feinen grünen Äderchen gemasert war, und sie zuckten leicht, als ob grelles Licht hindurchdringe.
    »Verlassen Sie unseren Tisch, Billy Bob«, sagte sie. »Bitte, bitte, bitte, verlassen Sie unseren Tisch.«
    Später haderte ich mit mir. Darl sollte etwas mit dem Mord am Sheriff zu tun haben? Sehr unwahrscheinlich. Darl und seine Freunde fielen nicht über Leute her, die ihnen etwas anhaben konnten. Sie suchten sich die Schwachen und die Lahmen aus, die Außenseiter und Ausgestoßenen, letzten Endes also die Menschen, die ihnen am ähnlichsten waren.
    Die Witwe des Sheriffs war eine vierschrötige, kräftige Frau, die Tochter eines Hufschmieds. Sie hatte tiefliegende, grüblerisch wirkende Augen und dunkle Haare, die sie wie einen Turban um den Kopf geschlungen hatte. Wie sie die ständige Untreue und die rauhbeinig polternde Art des Sheriffs ertragen hatte – ob aus Gottesfurcht oder weil sie scharf auf sein Geld war –, war uns allen ein Rätsel, denn sie hatte keinerlei Freunde, gönnte sich selbst überhaupt nichts, wenn man davon absah, daß sie einmal pro Woche die Kirche der Pfingstgemeinde in der Stadt aufsuchte. Aber inzwischen dachte keiner mehr darüber nach. Sie galt nur noch als das stumme Anhängsel des Sheriffs.
    »Vermutlich hat es ein Verrückter getan, der aus einer Irrenanstalt ausgebrochen ist«, sagte sie, als wir in ihrer Küche standen.
    »Wie kommen Sie

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