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Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Titel: Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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haben wir zusammengezählt«, sagte ich.
    L. Q. antwortete nicht. Ich drehte mich um und schaute ihn an. Er stand da, hatte einen Arm auf das Bücherregal gestützt und betrachtete seine Füße, so daß sein Gesicht durch den Stetson verdeckt wurde.
    »Du bist doch normalerweise nicht um ein Widerwort verlegen«, sagte ich mit heiserer Stimme, denn ich wußte genau, was jetzt kam.
    »Wir haben da drunten unsere Zukunft verpfändet, weil nur das Jetzt und Heute gezählt hat. Bei dem Gedanken daran komm sogar ich mir manchmal vor, als ob ich ein Stück Stacheldraht schlucken müßte«, erwiderte er.
    Er ging zur Tür, hatte mir den Rücken zugewandt und die Hände in die Hüfte gestemmt, so daß seine Jackenschöße weit abstanden. Ich hob die Hand und wollte etwas sagen, doch er war schon im Flur, und ich hörte nur noch, wie der Wind die Tür aufstieß und durchs Haus zog, daß die Dielen und Balken knarrten.
    Ich parkte mit meinem Avalon hinter dem Blechschuppen, in dem Garland T. Moon als Schweißer arbeitete, und trat durch die rückwärtige Tür ein. Drinnen herrschte eine geradezu betäubende Hitze. In der einen Ecke loderte ein Propangasbrenner, über dem ein Tiegel mit geschmolzenem Aluminium hing. Moon trug Sandalen ohne Socken und eine fleischfarbene Turnhose. Er hatte sich über einen Schraubstock gebeugt und durchtrennte mit dem Schneidbrenner ein Winkeleisen, während ihm der Schweiß in Strömen über den Rücken rann.
    Er hörte mich kommen, drehte das Brenngasventil ab und zog mit dem Daumen die schwarze Schutzbrille ab. Dunkle Rußflocken lösten sich von Kopf und Schultern. Er schaute auf meine Taille, zupfte sich an der Nase.
    »Wollen Sie mich über den Haufen schießen?« fragte er.
    »Womit halten Sie diese Kids bei der Stange?«
    »Kann ich Ihnen gern verraten. Dope und Mösen. Die Gummis kriegen sie heutzutage schon vom Schularzt. Ich hab sie sozusagen lediglich mit ein paar reiferen Mexikanerinnen bekannt gemacht.«
    »Sie sind von Grund auf schlecht.«
    »Ohne Knarre traun Sie sich so was wohl nicht zu sagen?« Er lachte leise vor sich hin und wischte sich die Hände an einem öligen Lappen ab. Seine Bauchmuskeln wirkten hart wie Wellblech. »Oder is Ihnen der Kamm geschwollen, weil die Jungs Kuhscheiße über Ihren Sohn geschüttet haben?«
    »Letzte Nacht hätten sie beinahe einen Deputy Sheriff umgebracht.«
    Er griff zu einer warmen Sodaflasche, die auf der Werkbank stand, trank in langen Zügen und schaute durch die offene Tür auf den Fluß hinaus, als ob ihn das alles nichts anginge.
    »Nach Ansicht der Ärzte müßte ich schon seit acht Jahren tot sein. Die haben gesagt, der Krebs frißt mich regelrecht auf. Ich kann den Tod förmlich riechen, wenn ich schlafe. Aber wenn’s jemand andern vor mir trifft, isses mir noch lieber«, sagte er. Er wischte sich mit dem Lappen die Achselhöhlen aus und warf ihn auf den Boden.
    Ich schaute ihn von der Seite an, musterte das eingesunkene blaue Auge, die vorgewölbten Brauen, die wie ein Erbteil aus uralter Zeit wirkten. Mein Handballen lag auf dem Kolben von L. Q. Navarros Revolver. Ich zog ihn aus dem Holster, faßte ihn an der Trommel und legte ihn auf die Werkbank.
    »Nehmen Sie ihn«, sagte ich.
    Er zündete sich eine Zigarette an, zupfte sich einen Tabakfaden von der Lippe und schnippte ihn weg.
    »Mir kann keiner mehr was antun, mein Junge. Ich lebe hier drin«, sagte er und deutete auf seine Schläfe. »Ich hab das gelernt, als mir ein drei Zentner schwerer Schwarzer eine Socke in den Mund gestopft und mich in die Kunst der Liebe eingeführt hat.«
    Ich zog ein Foto aus der Brusttasche meines Hemds und hielt es ihm hin.
    »Sind Sie der Junge in der Latzhose?« fragte ich.
    Er nahm es mir aus der Hand und betrachtete es lächelnd. Dann legte er es auf den Revolver, zog an der Zigarette und warf mir einen schelmischen Blick zu.
    »Mein Vater hat Ihnen doch das Schweißen beigebracht, stimmt’s?« sagte ich.
    »Er war nicht schlecht. Aber ich bin besser.«
    »Meiner Meinung nach müssen Sie dem tiefsten Schlund der Hölle entsprungen sein.«
    »Das ist der erste vernünftige Satz, den Sie heut von sich geben.«
    Ich holte mein Jagdmesser mit dem Horngriff heraus und klappte es auf. Vor zwei Tagen hatte ich die fünfzehn Zentimeter lange Klinge am Schleifstein in der Scheune gewetzt und an einem alten Sattelseitenblatt abgezogen, so daß die blank polierte Schneide wie Damaszenerstahl schimmerte.
    Ich nahm das Foto und schnitt es in der

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