Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)
der glänzenden Bar entlang und hinaus in die Sonne.
Diesen billigen Einwand sollte ich noch bitter bereuen.
Ich überquerte die Straße, begab mich ins Gerichtsgebäude und öffnete die Tür von Marvin Pomroys Büro. Er sprach gerade mit seiner Sekretärin.
»Haben Sie Zeit für eine Erklärung meinerseits?« fragte ich.
»Kein Kuhhandel mehr. Sie haben schon alles herausgeschlagen, was zu holen ist«, sagte er.
»Ich werde die Einstellung des Verfahrens beantragen.«
»Das muß ich hören. Ich habe den ganzen Tag noch nicht gelacht«, erwiderte er.
Ich folgte ihm in sein Arbeitszimmer.
»Ich habe zwei Zeugen an der Hand, die gesehen haben, daß Lucas schon eingeschlafen war, als Roseanne Hazlitt noch lebte«, sagte ich.
»Penner?«
»Ein mexikanischer Biker aus San Antonio, der gerade einen Lügendetektortest bestanden hat, und eine Braut, die mich an eine laufende Kettensäge erinnert hat. Inwieweit wird übrigens die lateinamerikanische Bevölkerung bei der Auswahl der Geschworenen berücksichtigt?«
Marvin lehnte sich in seinem Drehsessel zurück und dehnte mit den Daumen seine roten Hosenträger.
»Sie sind ziemlich von sich überzeugt, was?« sagte er.
»Es gibt berechtigte Zweifel an der Schuld meines Mandanten. Jemand, der so betrunken war, daß drei Leute ihn nicht wachgekriegt haben, kommt nicht plötzlich zu sich, vergewaltigt jemanden und schlägt ihn tot.«
»Wer sagt das?« Aber er schaute jetzt ins Leere und klang ganz und gar nicht mehr so überzeugt.
»Warum lenken Sie nicht ein?« fragte ich.
»Weil die Anklagevertretung der Anwalt des Opfers ist, Billy Bob, eines toten Mädchens in diesem Fall, das nicht mehr für sich selbst sprechen kann. Ich vertrete ihre und die Interessen der Allgemeinheit. Um mich geht es dabei überhaupt nicht.«
»Lucas Smothers ist ebenfalls ein Opfer.«
»Nein, er ist Ihr Sohn. Und das ist von Anfang an der Knackpunkt gewesen. Er hat nach Strich und Faden gelogen, als er uns erklärt hat, daß er sie kaum kannte. Wie kommen Sie denn darauf, daß er jetzt die Wahrheit sagt? Schaun Sie sich noch mal die Fotos aus dem Leichenschauhaus an. Meinen Sie etwa, sie hat sich selber so zugerichtet?« Dann lief er rot an und rieb sich mit dem Finger über die Stirn.
»Sie werden den Prozeß verlieren«, sagte ich.
»Na und? So was kann vorkommen. Sagen Sie mal, wie sieht denn das Vorstrafenregister von diesem mexikanischen Biker aus? Oder fährt er mit seinem Bock nur zur Messe und wieder zurück?«
Pete und zwei seiner Freunde waren an diesem Abend vorbeigekommen und wollten auf Beau reiten. Ich sah sie alle drei hintereinander auf Beaus Rücken hocken, sah, wie sie am Ufer des Weihers entlangtrabten und dann auf der abschüssigen Weide verschwanden, die zum Fluß hinabführte. Eine halbe Stunde später hörte ich Beaus Huftritte draußen bei der Windmühle und dann auf dem hölzernen Scheunenboden. Ich ging hinaus auf den Hof.
»Seid ihr etwa schon wieder zurück?« fragte ich.
»Da draußen bei dem untergegangenen Auto ist ein Angler. Er steht mit seinem Anzug mitten im Wasser«, sagte Pete.
Ein Junge und ein Mädchen in Petes Alter saßen hinter ihm. Sie schauten ständig nach hinten, durch das offene Scheunentor.
»Was für eine Haarfarbe hat er?« fragte ich.
Pete schwang ein Bein über Beaus Widerrist, sprang zu Boden und kam auf mich zu, so daß die anderen seine Miene nicht sehen konnten. Er ging weiter, bis wir draußen auf dem Rasen im Garten standen, außer Hörweite seiner Freunde.
»Rote Haare. Wir haben Beau gerade getränkt. Juanita war droben am Ufer und hat Blumen gepflückt. ›Is das deine Freundin?‹ hat der Mann, der im Wasser stand, mit einemmal gefragt. ›Ich hab keine Freundin‹, hab ich gesagt.
›Ein properes kleines Ding‹, sagt er. ›Wenn du sie nicht nimmst, kommt dir jemand anders zuvor.‹
Ich hab gesagt, daß ich nicht weiß, was er damit meint und es auch nicht wissen will. Ich hab ihm gesagt, daß ich wieder nach Hause gehe. Und er sagte: ›Wenn sie erst mal bluten, kannst du sie auch bumsen.‹
Und dazu der Gesichtsausdruck. Er hat ständig zu Juanita geglotzt. Ich hab noch nie erlebt, daß ein Erwachsener ein Kind so anschaut.«
Ich legte ihm die Hand auf den Hinterkopf.
»Geht rein und eßt ein Pfirsicheis«, sagte ich.
Ich fuhr mit dem Avalon auf dem Feldweg am Weiher vorbei und dann quer über die Weide bis zum Steilufer über dem Fluß. Etwa anderthalb Meter weit draußen, so daß ihm das Wasser bis zur
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