Dunkler Sturm - Roman
staunte über die Schönheit der Federn des Kopfschmucks und wunderte sich, wie gut sie noch erhalten waren. An dem Kopfschmuck war ein Gesichtsschutz angebracht, der ebenfalls aus Knochen bestand. Ein mächtiger Adlerschnabel bog sich beinahe rasiermesserscharf herunter und beschrieb an der Spitze einen kleinen Haken. Gabriel starrte in die dunklen Höhlen, in denen die Augen des Vogels gesessen hatten, und nahm ein schwaches, kribbelndes Flüstern in seinem Hinterkopf wahr, als sie lautlos zu ihm sprachen.
Ich bin der Gebieter des Sturms.
Er sah sich um, ob die anderen beiden das Flüstern ebenfalls gehört hatten, aber weder De Mona noch sein Großvater zeigten eine Reaktion.
»Man sagt«, Redfeathers Stimme riss Gabriel aus seiner Benommenheit, »dass der König der Adler seine eigenen Federn hergegeben hat, um diesen Kopfschmuck herzustellen.« Er deutete mit einem Nicken darauf. »Er verlieh Redfeather einen außerordentlich scharfen Blick. Die Knochen«, wieder nickte er, diesmal in Richtung des Brustpanzers, »wurden von den Wölfen gespendet. Sie fühlten, dass die Seelen ihrer Beutetiere die Rüstung verstärken würden, um ihn vor Schaden zu bewahren.«
»Wispernder Hund«, flüsterte Gabriel.
Redfeather starrte seinen Enkel an. »Das war einer der Namen, der ihm gegeben wurde. Er hatte die Nase und Instinkte eines Fährtensuchers, aber die geschliffene Zunge eines Politikers. Der Bischof beriet sich oft mit dem Jäger, und seine Überredungskunst war es, die die Tiere dazu brachte, mit den Rittern gegen die Dämonen zu kämpfen.«
Gabriel streckte die Hand aus und nahm den Kopfschmuck vom Ständer. Er roch an den Adlerfedern, sog tief ihren Duft ein und ließ sich von dem Wissen durchdringen, das in ihnen verborgen war. Als er sprach, redete er mit seiner Stimme, die Worte jedoch kamen aus einer anderen Zeit. »Unser Vorfahre war ein großer Jäger, und er brachte immer mehr Fleisch ins Dorf zurück als zwei andere Männer zusammen.Was die meisten jedoch nicht wussten, nicht einmal seine Brüder, war, dass er die Sprache der Tiere sprach. Während andere den Wölfen und den wilden Kreaturen, die in den Ebenen jagten, aus dem Weg gingen, freundete sich Redfeather mit ihnen an. Er jagte auf den großen Hängen mit den Berglöwen und übte gemeinsam mit den Wölfen Rache, wenn ihre Rudel von Wilderern überfallen wurden.« Gabriel hob den Kopfschmuck hoch, um ihn aufzusetzen, doch dann zögerte er.
»Gabriel?« Redfeather berührte seine Schulter. Die Hand seines Großvaters brachte Gabriel wieder in die Gegenwart zurück.
»Alles in Ordnung«, sagte Gabriel, der gegen eine plötzliche Übelkeit ankämpfen musste. »Bitte, rede weiter.« Er legte den Kopfschmuck neben sich.
Redfeather nickte. Er zögerte, den nächsten Gegenstand aus der Vitrine zu nehmen. Obwohl er ihn schon so lange besaß, hatte er nie auf seine Berührung reagiert, und er bereitete ihm immer noch Unbehagen. »Das war Redfeathers geweihteWaffe, der Dolch des Schicksals.« Er hob einen rostigen Dolch hoch, der Gabriel bisher gar nicht aufgefallen war. Die Klinge war verbogen und abgewetzt, aber der Griff aus einem Knochen war immer noch glatt. Als Gabriel nach derWaffe greifen wollte, riss Redfeather sie beinahe zurück. Das Pulsieren war so schwach, dass er es fast nicht bemerkt hätte, aber er war viel zu vertraut mit den Launen der geweihtenWaffen.
Redfeather legte den Dolch auf den Tisch und nahm ein Buch aus dem Regal. »Die Aufzeichnungen über dieseWaffe sind lückenhaft, weil sie keine der ursprünglichen dreizehn geweihtenWaffen ist.«
»Ich dachte, all diese legendärenWaffen stammten von den Jungs in den hübschen Roben«, warf De Mona ein.
»Für die meisten trifft das auch zu, aber der Dolch gehörte dem Jäger schon, seit er ein Junge war. Er hatte ihn von seinem Vater bekommen.« Redfeather las weiter in dem Buch. »Es war zwar nicht die beeindruckendsteWaffe, aber sie besaß eine große Macht, und wenn sie von dem Jäger geführt wurde, traf sie immer ihr Ziel.«
»Für mich sieht sie nach nichts Besonderem aus«, erklärte De Mona unbeeindruckt.
Redfeather sah sie an. »Ich hätte gedacht, dass ausgerechnet Sie die Tatsache unterschreiben würden, dass die äußere Erscheinung nicht viel zählt.«
Gabriel nahm den Dolch vom Tisch und wog ihn in der Hand. Das Gefühl war sehr subtil, aber er spürte die Macht, die auf sein Blut reagierte. Wie der Nimrod pulsierte auch der Dolch unter seiner Berührung, aber
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