Dunkler Sturm - Roman
seine Macht fühlte sich anders an … reiner. »Solange ich dich halte, wird mein Volk niemals hungern.« Die Worte kamen aus irgendeiner verborgenen Stelle in Gabriels Kopf.
De Mona betrachtete ihn misstrauisch. »Sehr merkwürdig. Vor einigen Stunden haben Sie so getan, als hätten Sie dieses Nimrod-Ding noch nie gesehen, und plötzlich scheinen Sie sehr viel über all das zu wissen. Wollen Sie mir das vielleicht mal erklären?«
Gabriel blickte von dem Dolch hoch, den er aufmerksam untersucht hatte. »Nun ja … es scheint einfach so zu sein, dass der Anblick all dieser Dinge meinen Kopf plötzlich mit Informationen füllt.« Er massierte seine Schläfen. Ihm war schlecht, und er ging zurück zu dem Kopfschmuck und setzte sich daneben. Etwas Magisches schien zwischen dem Dolch und dem Kopfschmuck zu vibrieren, und erneut ertappte sich Gabriel dabei, wie er die Federn berührte.
»Das muss der Bischof sein«, erklärte Redfeather schließlich.
»Was soll ein Kerl, der schon seit dreihundert Jahren tot ist, mit dem zu tun haben, was jetzt passiert?«, wollte De Mona wissen.
»Der Nimrod bildet ein beinahe unzertrennbares Band mit seinem Träger. Ein solches Band hatte ihn mit dem Bischof verbunden, bevor dieser von derWaffe verzehrt wurde.«
»Was soll das heißen, ›verzehrt‹?« Gabriel betrachtete den Dreizack argwöhnisch. Obwohl er in die Jacke eingewickelt war, konnte er ihn vor seinem inneren Auge vollkommen klar sehen. Er glühte und rief nach ihm. Dieser Ruf war so eindringlich, dass Gabriel die Hand ausstreckte und die Jacke berührte, bevor ihm überhaupt klar wurde, dass er sich bewegt hatte.
»Es heißt genau das. Der Nimrod war nicht nur dieWaffe des Bischofs, sondern wurde am Ende auch sein Gefängnis. Die Seele des Bischofs ist in dem Dreizack eingesperrt«, erklärte Redfeather, doch Gabriel hörte ihm nur mit einem Ohr zu. »Gabriel?« Redfeathers Enkel reagierte nicht.
Der Nimrod pulsierte mittlerweile so stark, dass Gabriel die Vibrationen selbst auf der Couch spüren konnte. De Mona schien sie ebenfalls wahrgenommen zu haben, denn sie bedachte das Bündel mit einem Blick, als wäre eine Giftschlange in die Jacke eingewickelt. Die Macht ist im Blut, und das Blut stellt alles wieder her, flüsterte die Stimme in Gabriels Hinterkopf. Er sah De Mona an, aber sie schien nichts gehört zu haben, denn sie starrte immer noch auf das Bündel. Die Macht ist im Blut, wiederholte die Stimme jetzt schärfer. Gabriel wollte sich die Ohren zuhalten und bemerkte, dass er mittlerweile den Dolch in der Hand hielt. Das Blut stellt alles wieder her, wiederholte die Stimme. Zunächst war Gabriel verwirrt, doch als er das schwache Glühen bemerkte, das von dem Dolch ausging, begriff er, was zu tun war.
»Was machst du da?« Redfeather wollte Gabriel aufhalten, aber es war bereits zu spät.
Gabriel sah fast unbeteiligt zu, wie seine Hände sich bewegten und die Klinge des Dolches in seine rechte Handfläche legten. Aus einem dünnen Schnitt in seinem Handteller quoll Blut und lief über die Schneide des Dolches. Staunend beobachtete er, wie die Klinge sein Blut absorbierte und der Rost sich auflöste. Als die Verwandlung vollzogen war, war das Messer wieder so wunderschön wie damals, als der Jäger es benutzt hatte.
»Wie in Gottes Namen hast du das gemacht?« Redfeather untersuchte den Dolch, berührte ihn jedoch nicht. In den vielen Jahren, in denen er dieseWaffe aufbewahrt hatte, hatte sie nie auf seine Berührung reagiert.
»Ich wünschte, ich wüsste es.« Gabriel starrte auf den Dolch. »Diese Magie – oder was immer es ist, was den Artefakten Macht verleiht – spricht zu mir. Habt ihr das nicht bemerkt?« Er blickte von De Mona zu Redfeather, der ihn ansah, als hätte er denVerstand verloren. »Schaut mich nicht so an!«, rief er. Plötzlich kam ihm ein Gedanke, und er hob die Jacke mit dem Dreizack hoch. »Wenn der Dolch auf mein Blut reagiert, macht es der Nimrod vielleicht auch.« Er nahm den Dreizack aus dem Bündel.
»Gabriel, nicht«, versuchte Redfeather seinen Enkel zu warnen. »Wir können nicht riskieren, dich noch stärker an ihn zu binden.«
Das Blut ist der Heiler, spornte die Stimme in Gabriels Kopf ihn an. Nervös legte er seine blutende Hand auf den Dreizack, und im selben Moment durchflutete gleißendes Licht den ganzen Raum.
De Mona erholte sich als Erste. Ein mächtiger Windstoß fegte durch den Raum und durchnässte alles, was sich darin befand, obwohl sich keine
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