Dunkler Sturm - Roman
leben, denn als Mahlzeit zu sterben«, sagte Gilchrest, der Flags Miene bemerkt hatte.
Am anderen Ende der Brücke war ein Tor im Berg eingelassen. Es war mindestens vier Meter hoch und bestand aus fein gehämmerter Bronze. Rechts und links daneben stand ein Trollwächter, jeder mit einem langen Speer und einem Schild bewaffnet. Hinter der Tür hörte Flag Schreie und das Klirren von Stahl. Er hoffte inständig, dass Titus nicht etwa den Fehler gemacht hatte, ihn ausgerechnet während einer der berüchtigten Fressorgien der Trolle in die Unterwelt zu schicken. Wenn sich diese primitiven Kreaturen ihrer Blutrünstigkeit vollkommen hingaben, konnten sie sich kaum noch kontrollieren, und es kam vor, dass sie sich dann auf Freund und Feind gleichermaßen stürzten.
Der bewaffnete Hauptmann neigte den Kopf vor Prinz Gilchrest, bevor er das schwere Portal aufstieß. Hinter der Tür wimmelte ein Meer von Trollen unterschiedlicher Formen undGrößen. Sie knurrten und schlugen sich begeistert auf den Rücken, während sie sich auf etwas in der Mitte des Raumes konzentrierten, das Flag noch nicht sehen konnte. Als einige von ihnen den Geruch von Magie in Flags Blut witterten, wandten sie ihm die Köpfe zu und musterten ihn gierig. Wäre Flag nicht von Gilchrest durch den Raum geführt worden, die Trolle hätten sich zweifellos auf ihn gestürzt. Ganz gleich, was Titus noch von ihm wollte, Flag schwor sich, dass dies seine letzter Ausflug zu den Eisernen Bergen sein würde.
»Zur Seite, tretet zur Seite! Macht Platz für euren Prinzen.« Gilchrest schlug auf die Trolle ein, die ihm und Flag im Weg waren. Mehr als ein mörderischer Blick folgte ihnen, aber dennoch bildeten die Trolle eine Gasse für den Prinzen, so wie sich einst das Rote Meer geteilt hatte.
In der Mitte des Raumes marschierte ein brutal aussehender Troll hin und her. Er war von der Hüfte aufwärts nackt. Das Biest war nicht ganz so groß wie Alford, wirkte aber mit seinen drei von Narben übersäten Armen dennoch recht beeindruckend. Aus seiner linken Seite ragte der Stumpf eines vierten Arms heraus. Sein gewaltiger Schädel wackelte hin und her, wenn er sich bewegte, aber der Blick seiner verunstalteten roten Augen wandte sich keine Sekunde von dem Troll ab, der vor ihm stand. Prinz Orden.
Orden sah aus wie ein rasierter Gorilla. Er hatte dicke Beine und Arme, die so lang waren, dass sie beinahe den Boden berührten, ohne dass er sich bücken musste. Hinter seiner Unterlippe ragten spitze Reißzähne hervor, die wie kurze Krummsäbel gebogen waren und seine Oberlippe berührten. In den mit Blut gefärbten Zopf, der von seinem Kopf herunterhing, war eine Speerspitze eingewoben, die jedes Mal hin und her schwang, wenn Orden seinen dicken Schädel bewegte. Rein körperlich war er genauso beeindruckend wie die anderen Angehörigen seiner Rasse, aber in seinen blauen Augen schimmerte eine Intelligenz, die unter diesen Kannibalen selten vorkam.
Zwischen den beiden stand ein dritter Troll, der nur wenig größer war als Flag. Sein spitzes Gesicht wurde von strähnigem, leuchtend rotem Haar verdeckt, das ihm fast bis zu den Knien reichte. Seine Haut war sonnengelb und glatt, anders als die seiner hässlichen Brüder. Seine einzige Missbildung schien sein rechter Arm zu sein, der von den Fingerspitzen bis zum Ellbogen pechschwarz war. Hätte er die beiden Kämpfer nicht mit Reptilienaugen angestarrt, wäre er fast als Mensch durchgegangen. In den Händen hielt er zwei lange Krummschwerter, die er so mühelos handhabte wie Taschenmesser. Als er sich an die Zuschauer wandte, war Flag überrascht, wie klar seine Worte klangen.
»Schaut genau hin, Brüder und Schwestern von den Eisernen Bergen, und bezeugt, wie zwei unserer wildesten Brüder übereingekommen sind, ihre Meinungsverschiedenheiten zu klären. Der Herausforderer«, er deutete auf den dreiarmigen Troll, »hat seinen Anspruch auf die Axt geltend gemacht, die unser Volk in den letzten 10 000 Jahren in die Schlacht geführt hat. Indem er nach dieserWaffe strebt, fordert er auch den Besitz des Thrones, den Prinz Orden innehat.« Er deutete auf den lächelnden Prinzen. »Und wie es seit Beginn unserer Rasse üblich ist, wird Blut diesen Disput entscheiden.« Die Zuschauer begrüßten diese Proklamation mit lautem Gebrüll. »Sind die beiden Kämpfer bereit?« Er wandte sich an die zwei Trolle, die beide nickten. »In Ordnung. Sterbt gut, Brüder.« Der rothaarige Troll warf die zwei Schwerter in die Luft,
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