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Dunkler Zwilling

Dunkler Zwilling

Titel: Dunkler Zwilling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Bezler
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leer.
    »Gar nicht so wenig Platz hier oben«, kommentierte Andreas. »Und hier in der Mitte kann man gut aufrecht stehen. Wenn man Geld hätte, könnte man das ausbauen und für Max ein schönes, großes Zimmer einrichten.«
    »Man hat aber kein Geld«, sagte Max kühl.
    Andreas verzog den Mund und schwieg. Omas Kopf tauchte in der Luke auf, von unten tönte das Gebrause des Staubsaugers. »Geh wieder runter, Mutter, du brichst dir noch die Knochen!«, sagte Andreas.
    Die Großmutter zog ein trotziges Gesicht, stieg noch weiter hinauf und stand bald neben ihnen.
    Andreas schüttelte stumm den Kopf und deutete zur Giebelwand. »Was ist mit den Kisten da drüben? Soll ich die nicht gleich mal entsorgen? Das Zeug da drin braucht doch bestimmt kein Mensch mehr!«
    Die Oma betrachtete das Durcheinander aus verstaubten Schuhkartons und Keksdosen und schüttelte den Kopf. »Das muss ich erst noch einmal durchsehen!«
    Andreas stöhnte. »Das hat jahrelang keiner durchgesehen, dann wird es auch in Zukunft keinen mehr interessieren. Aber von mir aus, stellen wir jetzt einfach noch ein paar weitere Kisten dazu. Komm, Max, bring mir mal deine Sachen!«
    Max nickte und verschwand. Als er den ersten Karton nach oben bringen wollte, sah er, wie die dick bestrumpften Beine seiner Oma mühsam Sprosse für Sprosse hinab kamen. Begleitet wurde jede ihrer Bewegungen von einem hohlen Klappergeräusch. Max stellte seinen Karton ab und breitete die Arme aus, um sie notfalls auffangen zu können. Schließlich erkannte er, warum sie so extrem langsam geklettert war. In der einen Hand trug sie eine große, flache Keksdose, die sie anscheinend von dort oben gerettet hatte. Die Oma und ihre Dosen!, dachte Max. »Soll ich dir das abnehmen?«, fragte er.
    »Nein!«, antwortete seine Großmutter abwehrend und presste die Dose an ihren Körper wie einen kostbaren Schatz. Kaum hatten ihre Füße den Boden berührt, verschwand sie zügig über die Treppe nach unten. Die Küchentür fiel ins Schloss. Max sah ihr grinsend nach. Ein bisschen erinnerte ihn seine Oma gerade an Schorsch. Der bunkerte die Sachen, die er sich nicht abnehmen lassen wollte, schnurstracks in seinem Körbchen.
    Wenig später waren alle Kisten verstaut und Max sah sich in seinem Zimmer um. Andreas hatte ihm geholfen, das Bett unter das Fenster zu schieben und den Schreibtisch stattdessen unter die Schräge zu stellen.
    »Da hat er doch kein Licht«, monierte Sonja.
    »Dafür gibt es Lampen«, erklärte Andreas.
    »Normalerweise hat man auch einen Bildschirm auf dem Schreibtisch stehen und da stört Tageslicht nur«, sagte Max.
    »Ich würde beim Arbeiten lieber zum Fenster hinausschauen«, meinte die Großmutter, die wieder aufgetaucht war und frische Luft in den Kleidern mitbrachte. Schorsch drängte sich an ihr vorbei ins Zimmer. Seine Pfoten hinterließen dunkle Abdrücke auf dem Teppich.
    Sonja stöhnte auf. »Nein! Gerade habe ich gesaugt!«
    »War er schon wieder alleine draußen?«, rief Max vorwurfsvoll.
    »Nein«, erklärte die Großmutter. »Ich war mit ihm im Garten.«
    Erstaunte Blicke begegneten ihr.
    »Und diesen komischen Bettvorleger willst du behalten?«, fragte Sonja und deutete auf das große Tigerfellimitat mit Kopf, das sie vor Jahren einmal erstanden hatten, als man für Max noch in der Kinderabteilung der Möbelhäuser einkaufte.
    »Ja, der bleibt hier für Schorsch«, erklärte Max. »Könnt ihr mich jetzt bitte alleine lassen?«
    In der Tür wandte sich die Großmutter noch einmal zu ihm um. »Du hättest dich wenigstens bei ihnen bedanken können.«
    »Wofür?«
    »Dass sie dir bei der Räumerei geholfen haben.«
    »Ich habe sie nicht darum gebeten«, erklärte Max patzig.
    Kopfschüttelnd verließ die Großmutter den Raum. Max lauschte noch einen Moment, bis sich ihre Schritte entfernt hatten. Dann wandte er sich um und wühlte unter seiner Bettdecke das Tagebuch hervor. Sollte er das überhaupt noch weiterschreiben, oder gehörte das auch zu einer anderen Zeit? Er las noch einmal, was er heute früher am Tag geschrieben hatte. Dabei fielen der hinten im Buch eingelegte Zeitungsausschnitt und die Drohbriefe heraus.
    Da gibt es noch eine ganze Menge unerledigter Dinge, dachte Max. Es geht gar nicht nur um Maurice, sondern viel mehr um mich. Max zog den kaum sichtbaren Reißverschluss auf, der sich seitlich am Tigerfell befand. Der Tiger war mit einem flachen Kissen gefüllt, das ebenfalls einen Reißverschluss hatte, damit man die Schaumstoffflocken

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