Dunkler Zwilling
sagte lächelnd: »Wir müssen jetzt erst einmal abwarten, wie unsere Behandlung anschlägt. Aber er ist ein gesunder Hund. Da hat er gute Chancen.«
Max und Chiara atmeten gleichzeitig auf. Max konnte nichts mehr sagen, denn die Tränen rannen in einem Schwall aus seinen Augen. Auch Chiara wischte sich die Augenwinkel und fragte dann: »Und was ist es gewesen?«
»Wir haben sein Blut mit einem Schnelltest untersucht. Die erhebliche Störung in der Gerinnungsfähigkeit zeigt uns, dass der Hund vermutlich ein Gift auf Cumarinbasis aufgenommen hat.«
»Was heißt das?«, fragte Chiara.
»Rattengift«, erklärte Dr. Vogel und wandte sich an Max. »Sie hatten gesagt, dass rund um Ihr Wohnhaus keine Ratten mit Gift bekämpft werden. Auch ist es normalerweise so, dass bei solchen Bekämpfungsaktionen Schilder ausgehängt werden müssen, und die hat es ja wohl nicht gegeben. Außerdem muss das ausgelegte Rattengift in speziellen Köderboxen untergebracht sein, damit es für Haustiere nicht gefährlich werden kann. Die Menge, die der Hund aufgenommen hat, ist sehr groß. Es ist viel mehr, als in den üblichen Köderportionen für Ratten vorhanden ist. Daher meine ich, dass Sie recht haben könnten mit Ihrem Verdacht. Jemand muss bewusst eine Giftmenge präpariert haben, die einem Hund gefährlich werden kann.«
»Ich wusste es!«, fuhr Max auf und schlug die Faust in die Handfläche.
Chiara schüttelte angewidert den Kopf. »Wer tut so was Perverses?«
»Es gibt Tierfeinde«, antwortete die Studentin. »Die stört das Gebell des Hundes, oder dass die Katze durch die Gemüsebeete streift. Und schon legt der hinterhältige Nachbar Gift aus.«
»Aber eure Nachbarn sind doch eigentlich ganz okay?«, fragte Chiara an Max gewandt.
Max starrte vor sich hin. »Die waren das auch nicht!«
»Wer dann? Hast du einen Verdacht?«
»Erzähl ich dir später«, flüsterte Max.
»Sie können natürlich Anzeige bei der Polizei erstatten«, erklärte Dr. Vogel. »Allerdings zeigt die Erfahrung, dass da nicht viel bei herauskommt, wenn man so jemanden nicht gerade auf frischer Tat ertappt.«
»Auf welche Weise wirkt dieses Gift?«, fragte Chiara.
»Das Gift setzt die Gerinnungsfähigkeit des Blutes so stark herab, dass es durch die Wände der Adern austritt, und zwar in so großen Mengen, dass das Tier innerlich verblutet«, erklärte die Studentin. »Alle modernen Rattengifte wirken so. Es hat zum einen den Vorteil, dass das Tier nicht sofort stirbt. Dadurch merken die anderen Ratten nicht, dass eine von ihnen Gift gefressen hat und Symptome zeigt. Sie würden sonst den Köder meiden. Zum anderen kann man Vitamin K, das die Gerinnungsfähigkeit wiederherstellt, als Gegengift spritzen, wenn ein anderes Tier das Gift irrtümlich aufgenommen hat.«
»Und das haben sie jetzt bei Schorsch gemacht?«, wollte Chiara wissen.
Die Studentin nickte. »Wir werden jetzt in bestimmten Abständen sein Blut untersuchen, um festzustellen, wie es wirkt. Auch bekommt er Infusionen, damit wir die Flüssigkeit ausgleichen können, die er durch die inneren Blutungen verloren hat.«
»Das heißt, er ist über den Berg?«, fragte Chiara.
Dr. Vogel verzog skeptisch die Mundwinkel. »Noch nicht ganz. Es kommt immer darauf an, ob man das Gegengift rechtzeitig verabreichen konnte und der Hund nicht zu viel Blut verloren hat. Außerdem dauert es eine Weile, bis es wirkt.«
Chiara nickte besorgt. »Wie geht es jetzt weiter mit Schorsch?«
»Er bleibt auf jeden Fall über Nacht hier. Wir haben ihn ruhig gestellt und beobachten, ob und wie die Behandlung anschlägt«, erklärte der Tierarzt.
Max nickte. Ein kleines, warmes Flämmchen Hoffnung entzündete sich in ihm. »Kann ich hier bei ihm bleiben?«, fragte er.
Die Studentin lächelte. »Nein, das ist nicht üblich! Sie können ja auch jetzt nichts mehr für ihn tun. Rufen Sie morgen früh an, dann sagen wir Ihnen, wie er die Nacht überstanden hat.«
Max wollte protestieren, doch Chiara zog ihn am Arm mit sich. Sie verabschiedete sich höflich von den Ärzten und Max grinste ein wenig unbeholfen.
Als sie die Klinik wieder durch die Glastür verlassen wollten, wurden sie aufgehalten. Ein Mädchen mit einer rötlichen Helmfrisur rief ihnen von einem Tresen aus nach: »Moment, Sie müssen noch bezahlen!«
»Aber wir kommen morgen noch einmal«, erklärte Chiara.
Das Helmmädchen schüttelte energisch den Kopf. »Es muss immer gleich bezahlt werden. Die Behandlung von morgen bezahlen Sie dann
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