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Dunkler Zwilling

Dunkler Zwilling

Titel: Dunkler Zwilling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Bezler
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nachfüllen konnte. Dort zwischen die Flusen bettete Max das Tagebuch und hielt es für ein geniales Versteck.
    Als er sich aufrichtete, sah er, dass sein Handy auf der Fensterbank Blinksignale sendete. Bereits vor längerer Zeit war eine SMS eingetroffen. Von Annalena. Sie wollte morgen mit ihm ins Kino. Ob das Tobias so recht war? Max grinste. Mal sehen , antwortete er ihr.
    Ein schabendes Geräusch ließ Max zusammenfahren. Es kam vom Bett. Als Max auf die Knie ging und unter das Bett schaute, entdeckte er Schorsch in der hintersten Ecke. »Schorsch? Was soll das? Gefällt dir mein neues Zimmer nicht?«
    In der Nacht entwickelte sich Schorsch zum Ruhestörer. Erst hatte er nicht unter dem Bett hervorkommen wollen und hatte ständig auf dem Boden herumgekratzt. Und dann hatte er Max jedes Mal, wenn dieser gerade am Einschlafen war, mit seiner Pfote ins Gesicht gestupst. Der Hund war zur Tür gelaufen und musste offensichtlich nach draußen. Die Prozedur wiederholte sich mehrfach bis zum Morgengrauen. Dazu trank Schorsch zwei große Schüsseln Wasser. Nachdem Max endlich erschöpft eingeschlafen war, wachte er erst gegen Mittag auf.
    Schorsch lag mit ausgestreckten Beinen auf dem Tiger. Als Max über ihn steigen wollte, um ins Bad zu gehen, blieb Schorsch entgegen seiner sonstigen Gewohnheit reglos liegen. Max beugte sich über den Hund. Schorsch hob ein wenig den Kopf, ließ ihn dann aber wieder matt sinken. Seine Augen wirkten merkwürdig geschwollen und waren blutunterlaufen. Aus seiner Nase blähte sich blutiger Schaum.
    »Schorsch! Schorschi! Was ist denn?«, flüsterte Max, Böses ahnend. Schorsch hob wieder den Kopf, dann richtete er sich mühsam auf. Ein Würgen schüttelte seinen Körper und plötzliche spuckte er schaumiges Blut über den Boden und brach darüber zusammen.
    »Mama!, Papa!, Oma!«, schrie Max und sprang auf. Er lief hinaus. Im Flur stieß er mit seiner Großmutter zusammen. Max zog sie am Arm in sein Zimmer und deutete auf den Hund, der dort flach atmend lag. Es sah eher wie Zittern als nach Luftholen aus. »Wo ist Papa?«, schluchzte Max.
    Die Großmutter beugte sich mit verzweifeltem Gesicht über Schorsch. »Er ist bei einem Vorstellungsgespräch im Baumarkt und Sonja ist arbeiten. Das sieht ganz nach Gift aus. Ich fürchte, er wird uns sterben«, flüsterte sie.
    »Nein!«, schrie Max. »Nein, er muss zum Tierarzt. Wir müssen zum Tierarzt!«
    Die Großmutter richtete sich auf. »Aber wie denn, ohne Auto? Hier in Modertal gibt es keinen Tierarzt, und bis wir mit der S-Bahn in der Stadt sind …«
    Max hatte nur Wortfetzen mitbekommen. In seinem Kopf drehte sich eine Endlosschleife. Er darf nicht sterben. Tierarzt. Ein Tierarzt muss her . Er zwang sich, klare Gedanken zu fassen. Wer hier in Modertal wusste, wie man schnell an einen Tierarzt herankam? Wer hatte noch einen Hund? Dazu fiel ihm nichts ein. Pferd, fiel ihm plötzlich ein. Michelles Pferd hatte neulich Verdacht auf Kolik gehabt und zu ähnlich verzweifelten Aktionen in Chiaras Familie geführt.
    Sein Finger hatte Chiaras Handynummer bereits gefunden. Es läutete. Geh ran!
    Sie war sofort dran. Musik im Hintergrund. Er konnte nur abgehackte Sätze zwischen seinen Schluchzern unterbringen. Verstand sie überhaupt, was er wollte? Konnte sie ihm helfen? Wie denn? Während er redete, zweifelte er bereits, ob dieser Anruf eine hilfreiche Idee gewesen war. Dann war das Gespräch plötzlich beendet.
    Max musste einen Moment nachdenken, bis ihr letzter Satz bei ihm ankam. Wir sind in fünf Minuten da . Wer war »wir« und wie wollte sie ihm helfen?
    Wenige Minuten später saß Max auf der Rückbank eines Autos, das vom alten Köhler gesteuert wurde. Neben ihm lag Schorsch auf einer dicken, alten Decke. Ein dunkles Rinnsal lief aus seiner Nase. Er nieste und feine Blutströpfchen verteilten sich auf Max’ Handrücken. Chiara hatte sich vom Beifahrersitz aus nach hinten gebeugt und betrachtete den verzweifelten Max mit ernstem Gesicht. »Unsere Tierärztin hat gesagt, wir sollen am besten gleich in die Tierklinik mit ihm. Wenn überhaupt, dann können nur die noch etwas machen. Sie meint, du sollst versuchen, dich zu erinnern, wo und wann er etwas Falsches aufgenommen haben könnte.«
    »Im Garten, gestern Abend im Garten!«, schluchzte Max.
    »Bei euch im Garten?«, zweifelte Chiara. »Aber deine Oma streut doch kein Gift, wie ich sie kenne.«
    »Das war einer, der das absichtlich gemacht hat. Eine miese, feige Sau!«, schrie Max.

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