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Dunkler Zwilling

Dunkler Zwilling

Titel: Dunkler Zwilling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Bezler
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dir beim Auspacken helfen?«, fragte sie.
    Erstaunt sah Franca ihre Tochter an. »Nein, kein Thema, ich sortiere nur, was in die Wäsche oder Reinigung muss und was ich gleich in den Schrank zurückhängen kann.« Sie hielt das Kleid in Chiaras Richtung. »Schau mal, das habe ich mir in Thailand gekauft, schön, nicht?«
    Chiara nickte. Für die gertenschlanke Franca war ein solch groß gemustertes Kleid durchaus tragbar, sie selbst sähe darin aus wie ein altmodisches Sofakissen. Dies war sicherlich auch Francas Einschätzung gewesen, denn sie hatte ihrer Tochter kein Kleid, sondern einen Seidenschal mitgebracht. Chiara verletzte diese Art der Rücksichtnahme, die Franca bei vielen Gelegenheiten durchblicken ließ. Betrat Chiara das Zimmer, wurden die Süßigkeiten schnell weggepackt. Aß die Familie ohne Chiara, gab es Tiramisu zum Nachtisch, wenn Chiara dabei war, gab es Obst. Franca hing das neue Kleid in den Schrank. Chiara hatte sich auf die Bettkante gesetzt und zeigte damit, dass sie sich noch ein wenig mit ihrer Mutter unterhalten wollte. Franca ließ sich neben ihr nieder und lächelte ihrer Tochter aufmunternd zu. »Na, und wie ist es dir ergangen hier allein im Haus? War das wirklich besser als Italien?«
    Chiara zuckte mit den Schultern. »Auf jeden Fall besser als bei Francesco in Sizilien. In Monza wäre ich noch länger geblieben, aber irgendwie hatte ich dann Lust, meine Freunde wiederzusehen und auch einmal für mich zu sein.«
    Franca lachte. »Oh, oh, unsere Bambina wird erwachsen! Und hattest du eben Freunde gesagt oder Freund?«
    Chiara spürte, wie sie rot wurde, und dass Franca es registrierte. »Eigentlich beides. Max war übrigens hier.«
    Das Lächeln in Francas Gesicht erstarrte ein wenig. »Und was willst du mir damit sagen?«
    Chiara zuckte wieder mit den Schultern. »Nichts, nur dass er eben hier war, oder hast du etwas dagegen?«
    Franca sog die Luft hörbar ein. »Nein, ich habe nichts dagegen. Meine Meinung ist, dass du aufgeklärt bist und wissen musst, was du tust und dein Freund hoffentlich auch.«
    Chiara deutete ein Nicken an. »Gero ist da allerdings anderer Meinung.«
    »So, ist er das?«
    »Ja. Er möchte mir den Umgang mit Max verbieten. Hat er nicht mit dir darüber gesprochen?«
    Francas Gesicht wurde nachdenklich. »Nein. Ehrlich gesagt, ich weiß auch nicht, ob du dir da nicht etwas einbildest, denn Gero hat doch gar nicht so viel Einblick in dein Leben, als dass er etwas über deine Freunde wüsste.«
    »Er hat Max mehr oder weniger rausgeschmissen, als wir einmal oben in Maurice’ Zimmer waren.«
    »Nun, dann hast du doch schon eine Erklärung. Er hatte nichts gegen deinen Freund Max, sondern dagegen, dass ihr in Maurice’ Zimmer wart. Das musst du verstehen, für Gero war Maurice so etwas wie sein Lebenssinn, seine ganze Hoffnung. Er ist noch lange nicht über seinen Tod hinweg und erträgt es nicht, wenn man sich unbefugt diesem Ort der Erinnerung nähert.«
    Chiara verzog das Gesicht und schüttelte abwehrend den Kopf. »Was ist an diesem leer geräumten Raum da oben Erinnerung? Nichts. Es gibt doch kaum noch etwas von Maurice da drin.«
    »Es ist aber auch nichts ausgeräumt worden. Du weißt doch selbst, dass Maurice dieses Zimmer mit der Zeit immer spärlicher mit persönlichen Dingen bestückt hat.«
    Chiara nickte. »Besonders in den Wochen vor seinem Tod.«
    Franca nickte. »Anfangs dachte ich, er hat sich irgendwo heimlich neu eingerichtet, weil so gar nichts Persönliches mehr zu sehen war. Aber jetzt erkläre ich mir das natürlich damit, dass er seinen Selbstmord von langer Hand geplant hat.«
    Chiara zuckte zusammen. Ein Gedanke war ihr gekommen und im gleichen Moment wieder verflogen, als Franca weitergesprochen hatte. Angestrengt versuchte sie, das Bild wieder zu fassen, das eben in ihrem Kopf aufgeflackert war. Es hatte etwas mit dem zu tun, wovon Franca gesprochen hatte. Chiara versuchte sich zu erinnern. Franca hatte vermutet, dass …
    Plötzlich hatte sie es wieder vor Augen. Sie sah sich an einem Nachmittag nach Hause kommen. Am Gartentor war sie Maurice begegnet. Er trug einen Rucksack und zwei gut gefüllte Sporttaschen. Schwer beladen schob er das Tor mit den Knien auf. Chiara hatte helfend zugepackt und gefragt: »Hey, Bruder, was ist, fährst du vorzeitig in Urlaub?« »Nee«, hatte er geantwortet. »Das ist eher das Eichhörnchen-Prinzip. Und jetzt lass mich vorbei.« Sie hatte sich über diesen Ausdruck gewundert und nicht verstanden, was

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