Dunkler Zwilling
kreischt mit uns rum und bildet sich ein er wär Moriz. Justin Kinkel, Klasse 6b
»So ist das also«, flüsterte Max. »Und Sie glauben, das hat er von sich aus geschrieben und nicht nach Diktat von Tobias Hofmann?«
Die Schulleiterin schaute Max mit strenger Miene an: »Maximillian. Ich möchte nicht, dass du den kleinen Justin zur Rede stellst oder gar einschüchterst. Wenn du denkst, dass Tobias da ein wenig vorschnell gehandelt hat, solltest du jetzt keinen Ärger machen, sondern es akzeptieren. Offensichtlich seid ihr beiden nicht ganz grün miteinander. Da ist es auf jeden Fall besser, wenn ihr eure Zusammenarbeit beendet.«
Max fuhr auf: »Ach und warum muss dann ich gehen und nicht er ?«
»Weil er der Ältere und Erfahrenere ist und schon von Beginn an mit dabei war. Herr Maurer lobt Tobias’ Unterstützung sehr.«
Max nickte. Er war blass vor mühsam beherrschter Wut. »Kann ich eine Kopie von dem Brief haben?«
»Wozu?«
»Für meine Unterlagen.«
»Gut, aber du versprichst, dass du mit Justin vernünftig und ruhig redest und dich überhaupt in dieser Angelegenheit deeskalierend verhältst!«
Max nickte mit kühler Miene und griff das sprachliche Repertoire der Streitschlichterschulung auf, das die Direktorin verwendet hatte.
»Hab verstanden, ich werde nur nicht verletzende Ärgermitteilungen absondern!«
Die Schulleiterin schüttelte stumm den Kopf, als sie Max beim Verlassen des Raumes nachschaute.
Eigentlich hatte Max vorgehabt, Chiara am Bentheim-Schlösschen abzuholen, doch Chiara wollte das nicht. »Es ist besser, wenn er dich nicht zu Gesicht bekommt«, kommentierte sie. Also hatten sie sich in der Nähe verabredet, dort, wo der Weg sich gabelte.
»Ich hatte Maurice damals noch lange nachgesehen und beobachten können, dass er hier zur Klapperwiese abgebogen ist. Dann ist er dahinten im Wald verschwunden«, erinnerte sich Chiara.
Max sah den von ihr beschriebenen Weg entlang. »Und er ist nicht dort vorne in den Hasenpfad abgebogen?« Chiara schüttelte den Kopf. »In den Harzerpfad? Was sollte er da? Nein, er lief weiter Richtung Wald.«
»Der Weg führt zur Reitschule Moderbachtal im Erlenhof. Meinst du, er wollte dort hin?«
»Er hatte es nicht so mit Pferden. Dafür ist Michelle zuständig. Die verbringt fast jeden Nachmittag dort.«
»Dann gehen wir jetzt einfach diesen Weg entlang, vielleicht fällt uns etwas auf.«
Chiara nickte und folgte ihm. Eine Weile liefen sie schweigend, doch dann berichtete Max noch einmal ausführlich von seinem Besuch bei der Schulleiterin. Bereits heute Mittag nach der Schule hatte er Chiara kurz erzählt, dass er Justin verdächtigte, Gift in den Garten geworfen zu haben. Chiara hatte ihn eingeladen, wieder mit Köhler im Auto zurückzufahren, doch diesmal hatte Max abgelehnt.
Inzwischen war es bereits dämmerig geworden. Wind war aufgekommen und blies ihnen feine Eiskristalle entgegen. Chiara zog ihre Pudelmütze tiefer ins Gesicht.
»Ich kann mir keinen Grund vorstellen, warum Justin das getan haben sollte. Neulich hast du noch erzählt, dass er sich an dich hängt wie eine Klette und deine Freundschaft sucht«, sinnierte sie.
»Ich habe ihn auch nie angeschrien, vielleicht hin und wieder mal nicht ganz so freundlich angeredet, wenn er mir total auf den Keks ging. Aber ein Grund zum Hundevergiften und Brief an die Schulleitung zu schreiben ist das nicht. Justin ist weich wie Butter. Der tut alles, was man ihm sagt. Hauptsache, er hat das Gefühl, akzeptiert zu werden. Ich glaube eher, dass ihn jemand angestiftet hat.«
»Und wer soll das gewesen sein?«
»Eine Idee habe ich schon. Tobias will mich da heraushaben. Und Old Schepperhand vermutlich auch.«
»Der Maurer? Diesen vertrockneten Playboy nimmt doch keiner Ernst.«
»Du weißt, warum sie ihn Old Schepperhand nennen?«
»Das weiß hier jeder.«
»Vor den Weihnachtsferien habe ich gesehen, wie er in einem seiner legendären Wutanfälle einen Jungen am Arm herumgerissen hat, dass dieser vor Schmerz aufschrie und zu Boden ging. Ich bin hin und habe Schepperhand gesagt, er soll das gefälligst lassen, sonst würde ich es der Schulleitung melden. Da war er auf einmal ganz klein mit Hut und ist grummelnd abgezogen. Seitdem sind Tobias und er deutlich auf Distanz zu mir gegangen.«
»Tobias auch?«
»Ja, gerade der. Er packt die Jungs noch viel rauer an. Deshalb spuren sie bei ihm auch besser als bei mir. Für die bin ich das Weichei und Tobias der große Terminator.«
»Das ist
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