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Dunkler Zwilling

Dunkler Zwilling

Titel: Dunkler Zwilling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Bezler
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Zeltdach über alles spannte. »Maurice«, flüsterte sie. »Max und Maurice. Es kann gar nicht anders sein, ihr seid beide hier geboren worden. Und du, Max, solltest getötet werden. Warum?« Wer hatte die Hebamme bezahlt und zum Mord angestiftet? War es vorstellbar, dass diese Friederike von Bentheim ohne Geros Wissen gehandelt hatte? War das allein eine Sache zwischen Brigitte Wiesner und ihr gewesen? Konnte es sein, dass ein Vater nichts davon mitbekam, dass seine Frau statt einem zwei Kinder zur Welt gebracht hatte und eines davon verschwinden ließ?
    Bei Gero konnte sie sich das schon vorstellen. Haushalt und Familie waren für ihn Frauenkram, wie er immer sagte. Aber was konnte seine Ex-Frau dazu veranlasst haben, eines der beiden Kinder abzulehnen? Sie war krank. Vielleicht hatte sie ja eine Art Geisteskrankheit. Umso schlimmer, dass diese Hebamme sich auf den Handel einließ. Sie war eben doch eine Hexe, diese Brigitte Wiesner! Da konnte sie kilometerlang reuevolle Briefe schreiben, das machte nichts wieder gut! Sie hätte Gero sagen müssen, was seine verrückte Frau vorhatte. Und wenn er doch davon wusste?
    Das Buch war Chiara aus der Hand gerutscht und polternd auf den Boden gefallen. In dem alten Haus setzte sich der Schall grollend fort. Chiara erstarrte und wagte nicht, sich zu rühren. Da entdeckte sie, dass etwas aus dem Buch herausgerutscht war. Vorsichtig zog sie es vollständig hervor. Es war eine Fotografie. Sie zeigte den Oberkörper einer blonden Frau, die ihren Kopf an den Hals eines braunen Pferdes mit Sternblässe schmiegte. Da öffnete sich plötzlich die Zimmertür. Chiara gelang es gerade noch, die Fotografie wieder zwischen die Seiten zu schieben. Gero füllte mit seiner mächtigen Gestalt den Türrahmen aus. Unwillig sah er zu Chiara, die zusammengekauert auf der Bettkante saß und ein Buch in den Händen hielt. »Was zum Teufel machst du hier?«, herrschte er sie an.
    »Ich lese«, piepste sie.
    Er musterte sie misstrauisch. »Bist du allein?« Er warf einen Blick hinter die Tür.
    »Was denkst du denn?«, fragte Chiara, die langsam wieder Fassung gewann.
    Geros Blicke hefteten sich auf das Buch. »Und warum liest du ausgerechnet hier und nicht in deinem Zimmer?«
    »Mir war gerade danach, weil ich an Maurice gedacht habe. Da wollte ich ihm nahe sein.«
    Gero brummte. Die Zornesfalten auf seiner Stirn glätteten sich etwas. Chiara betrachtete ihn aufmerksam. »Es ist das Zimmer, in dem er seinen ersten Atemzug getan hat«, erklärte sie leise.
    Über Geros Gesicht flog ein Schatten. Sein Blick wanderte vom Buch zum Fenster hinaus in die Ferne. »Ja«, flüsterte er. »So kann man das auch sagen.«
    Chiara zauberte ein versonnenes Lächeln in ihre Mundwinkel. »Warst du eigentlich bei seiner Geburt dabei – damals?«
    Geros Blick kehrte zurück ins Zimmer. Er sah Chiara erstaunt an. »Nein!«, sagte er entrüstet und Chiara nickte stumm. Seine Gesichtszüge hatten sich wieder verhärtet. »Komm jetzt raus hier!«, sagte er barsch. Chiara gehorchte ohne Widerspruch. Mit dem Buch in der Hand drückte sie sich an ihm vorbei. Er schaute ihr nach, bis sie über die Treppe im Dachgeschoss verschwunden war und er das Einschnappen ihres Türschlosses vernahm. Dann griff er in seine Jackentasche und zog sein Smartphone hervor. »Köhler!«, bellte er in das Gerät. »Ich möchte, dass Sie ein Zimmer im Haus entrümpeln. Und zwar vollständig bis auf das letzte Blatt Papier. Haben Sie verstanden?«
    Chiara betrachtete die Fotografie. Die Frau musste Friederike von Bentheim sein. In ihrem Gesicht gab es deutliche Ähnlichkeiten mit Maurice. Und mit Max. Chiara schluckte. Sollte sie ihn anrufen und ihm sagen, was sie entdeckt hatte? Sie erinnerte sich, dass sie sich schon einmal in diesem Zwiespalt befunden hatte. Jetzt war alles viel schlimmer. Egal, was es war, sie würde eine schreckliche Wahrheit zutage fördern, denn letztendlich würde sie den Grund herausfinden, warum Max getötet werden sollte. So etwas durfte man keinem Menschen mitteilen. Sollte sie dennoch weiterforschen? Die von Bentheims waren nicht ihre Familie. Die gingen sie gar nichts an. Insgeheim sehnte sie schon den Tag herbei, an dem sie ausziehen und ein eigenes Leben fern von Gero von Bentheim führen konnte. Ein paar Jahre noch.
    Und Max? Wollte sie wegen Max die letzte Wahrheit herausbekommen? In ihr schäumte ein übermächtiges Gefühl des Aufbegehrens. Ja, das wollte sie. Sie wollte wissen, warum jemand Max das Leben

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