Dunkles Blut: Thriller (German Edition)
Ellbogen. Er hat die Hände gefaltet, den Kopf im Gebet gesenkt.
Vater unser im Himmel …
Er kann den alten Mann im Nebenzimmer fluchen hören. Muss wehtun, die ganze Gewalt – das Auspeitschen, die Bisse, die Faustschläge.
Geheiligt werde Dein Name …
Eine Träne tropft auf die Decke, wird verschluckt von der Dunkelheit.
Kann das nicht mehr machen.
Will das nicht mehr machen.
Dein Wille geschehe …
Das ist die Rasierklinge in der verbotenen Frucht, nicht wahr?
Richard steht auf, wischt sich mit dem Handballen über die feuchten Wangen. Seine Hand tut weh, die Knöchel sind ganz geschwollen und aufgesprungen, voller Blutergüsse. Er drückt sich die Hand an die Brust, tappt im Halbdunkel zum Fenster und steht da, mit dem Streifen Mondlicht quer über seinem nackten Körper. Die Haut so bleich wie die eines Toten.
Dein Reich komme …
Er späht durch die Lücke zwischen den Vorhängen. Da steht ein Auto in der verschneiten Einfahrt, ein neu aussehender Minivan. Richard weiß nicht, ob der Wagen dem alten Mann gehört oder nicht.
Wie im Himmel, so auf Erden …
Ist auch egal, oder? Wäre zu riskant, ihn zu nehmen – sie würden dahinterkommen. Die Polizei hat doch jetzt solche Kameras, die das Nummernschild fotografieren und mit irgendeiner Datenbank abgleichen.
Richard beugt sich vor, haucht auf die Scheibe, bis sie weiß anläuft, und malt mit dem Finger darauf: einen Kreis mit einem Kreuz in der Mitte. Es ist kein Kruzifix, wenn kein Jesus dranhängt, nicht wahr? Seine Oma Murray hätte ihm den Hintern versohlt, wenn er solche Götzenbilder gemalt hätte, also ist es bloß ein Kreuz.
Ein leeres Kreuz.
Das auf seine Opfergabe wartet.
Und Tränen aus Kondenswasser weint.
Das Mondlicht lässt es erglühen … und dann schieben die Wolken sich wieder zusammen, der Mond ist verschwunden, und die Welt versinkt in Dunkelheit. Eisiger Schnee prasselt gegen das Fenster.
Richard fröstelt, sein nackter Körper überzieht sich mit Gänsehaut.
Es werde Finsternis.
45
DI Steel lehnte sich gegen die Wand des Hotelflurs und wischte dabei fast ein Aquarell von Alt-Aberdeen vom Haken, das die burgunderfarbene Tapete zierte. » Wenn du ein pummeliger Geordie-Bastard wärst, wohin würdest du dann abhauen?«
Logan lugte am Türpfosten vorbei ins Zimmer. Drei Mitarbeiter der Spurensicherung, alle in weißen Schlumpfkostümen, waren mit Fingerabdruckpulver, Wattestäbchen und Klebeband zugange. Am Fußende des Betts war auf dem hellbeigen Teppichboden ein kirschroter Fleck zu sehen.
» Hast du irgendetwas Brauchbares aus Urquhart herausbekommen? Dem Lastwagenfahrer?«
Sie fixierte ihn mit zusammengekniffenen Augen. » Ich hab dir immer noch nicht verziehen, dass du mich durch den Schnee hast zurücklatschen lassen, das ist dir schon klar, oder?«
» Ich hab doch gesagt, es tut mir leid.«
» Sollte es auch.« Schnief. » Aus irgendeinem Grund hat dieser Blödmann gemeint, wir wollten ihn wegen versuchten Mordes drankriegen – hat sich fast überschlagen, um einen Deal zu machen. Er hat uns alles über die Schmuggeloperation verraten, von –«
» Inspector?« Eine der Kriminaltechnikerinnen, die auf Händen und Knien neben dem Bett herumkroch, bückte sich noch tiefer, bis sie mit der Brust auf dem Teppichboden lag, und streckte den Arm aus. Ihr runder Hintern wackelte, als sie den Zwischenraum zwischen Bett und Boden abtastete. Logan kam der Anblick bekannt vor – es war Samantha. » Ich glaub, ich hab was gefunden …«
Sie winkte einen Kollegen herbei, der eine riesige Digitalkamera um den Hals hängen hatte. Er legte sich neben sie und schoss ein paar Fotos. Dann zog Samantha ein kleines silberfarbenes Handy unter dem Bett hervor.
Sie nahm es in die lila behandschuhte Hand, klappte es auf und drückte verschiedene Tasten. » Der letzte Anruf war um fünf vor elf, er kam von › Zuhause ‹ – ich glaube, die Vorwahl ist Newcastle. Das Gespräch dauerte zwanzig Minuten.«
Steel streckte die Hand aus. » Her damit.«
Von vorne sah Samantha weit weniger vertraut aus – alles war unter diesem weiten weißen Overall verborgen, die Kapuze verdeckte ihre knallroten Haare, und sie trug eine Gesichtsmaske mit Schutzbrille. Sie zögerte einen Moment, ehe sie das Handy in einen Beweismittelbeutel steckte, die Angaben zu Uhrzeit, Datum, Fundort und dergleichen auf dem Etikett eintrug und den Beutel einem anderen Mitarbeiter in die Hand drückte. Der notierte sogleich noch ein paar weitere Angaben auf
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