Dunkles Erbe - Blut Der Finsternis
unzähligen Frauenleiber vor sich. Mit Seilen ließ er sie von Querbalken hängen. Er gedachte ihrer flachen, hängenden, dicken, vollen, jungen und runzeligen Brüste. Sah ihre Bäuche, ihre gefolterten Schenkel, die Jungen und die Alten. Fackelschein, Feuersglut, Schreie. Aufgebockte, gestreckte Leiber, mit den wie Blumen geöffneten Lippen oben und unten. Er sah die gebeugten, stoßenden Männerleiber seiner Helfer. Nie wagte er, diese Frauen anzurühren. Sie waren besudelt. Ihre Seelen und Leiber waren unrein. Ekelhaft und verabscheuungswürdig.
»Um Gottes willen, Arweth!« Ihr Schrei weckte ihn aus seinen Visionen. »Hör auf damit! Nicht!« Sie klang entsetzt und ihre Hände krallten schmerzhaft an seinen Haaren. Im nächsten Moment versetzte sie ihm einen kräftigen Tritt gegen die Brust.
»Bist du wahnsinnig?« Sie spreizte die Beine und offenbarte tiefe Bisswunden. Grellrot floss das Blut über ihr weißes Fleisch und sickerte dickflüssig auf das Laken.
»Vermutlich«, erwiderte er kalt, hob ihr Kleid auf und warf es auf Bett.
Seine Hochstimmung war verflogen. Jetzt widerte sie ihn an. Er selbst widerte sich an. Wie konnte er sich nur zu so etwas hinreißen lassen? Selbst wenn diese Sauerei seinem Ziel diente, wollte er sie niemals wieder anrühren.
»Zieh dich an und komm! Ich hab’ Besseres zu tun, als dich zu besteigen.«
Seine Worte trieben Serena heiße Tränen in die Augen. Ihr Gesicht verzerrte sich als habe er ihr ein Messer in den wunden Leib getrieben.
Gut, dachte er grimmig. Jetzt wird sie einsehen, dass ihre Hexenkünste an mir vergebens sind. Und jetzt wusste er, wie er sie sich gänzlich zu eigen machen konnte. Er machte kehrt, ging zu ihr zurück und packte sie hart an den Gelenken der zur Abwehr erhobenen Hände. Sein ernster Blick zwang sie, ihm in die Augen zu sehen. Der Kuss, den er ihr mit gebleckten Fängen auf die kalten Lippen presste, war hart und fordernd. Hilflos erwiderte sie seinen Kuss. Sie gehörte ihm, würde ihm diese und jede andere Rücksichtslosigkeit verzeihen.
Gierig sog Dorian Prior die eisige Nachtluft ein, als sie einige Minuten später das Haus verließen und gemeinsam die Landstraße betraten. Die Nacht war erfüllt mit verlockenden Düften und nicht nur Serena war hungrig. Mit ihrem sicheren Gespür für die Jagd war sie jedoch die Erste, die einen einzelnen Menschen witterte. Eine Frau, die in ihrem kurzen Kleid frierend an einer schlecht beleuchteten Bushaltestelle stand. Ihrem Aufzug nach zu urteilen, wartete sie nicht auf den Bus.
Serena wollte schon auf sie losgehen, doch Dorian hielt sie zurück. »Es werden mehr kommen. Warte noch«, flüsterte er. Sie antwortete mit einem protestierenden Grollen, gehorchte jedoch, als er sie in den Schatten eines Baumes zog.
Minuten vergingen. Auch er wurde ungeduldig, doch er war sicher, dass sie nicht vergebens warteten.
Und tatsächlich tauchte hinter der Kurve ein Auto auf. Der Fahrer bremste ab und hielt vor dem hölzernen Unterstand. In der Stille hörten sie die laut klackenden Schritte hochhackiger Schuhe, als das Mädchen zu dem Wagen ging. Mit ihrer Stimme wehte würziges Aroma herüber. Der Duft der kleinen Hure und derer, die im Auto saßen. Drei männliche Sterbliche. Jung, erhitzt, bereit geerntet zu werden. Serena drängelte wieder und jetzt ließ er sie laufen. Die Männer für sie, das Mädchen für ihn. Schnell war das Schicksal der Menschen besiegelt. Serena war eine geübte und vor allem sehr hungrige Jägerin. Zwei von ihnen leerte sie innerhalb eines Herzschlags, ohne einen Tropfen zu vergeuden.
Während sie hinter dem flüchtenden Dritten hersetzte, widmete sich Dorian Prior dem Mädchen, das ohnmächtig in seinen Armen lag. Beinahe liebevoll betrachtete er ihr bunt bemaltes Gesicht. Die geschlossenen Lider waren mit einem dicken Film blauer Tusche verschmiert, die Lippen glänzten fettig rot. Ihr strohiges, blondes Haar stank nach Bleiche. Sie war noch so jung, stellte er verwundert fest. Und ihr Blut schmeckte nach dem ungeborenen Leben ihres Kindes.
Ich entbinde dich davon, zu sündigen. Sei frei davon, zu lügen. Sein in Gedanken gesprochener Segen drang bis hinab in ihre tief gesunkene Seele. Immer tiefer grub er seine scharfen Zähne in die ungeschützte Kehle. Ihr Blut floss heiß und überreich. Dorian Prior genoss den Geschmack der Sühne. Er befreite sie, er segnete sie. Ich entbinde sich davon, zu betrügen und deinen reinen Leib zu beschmutzen und mit ihm jeden, der dich
Weitere Kostenlose Bücher