Dunkles Erbe - Blut Der Finsternis
Begleiter war verschwunden und mit ihm offensichtlich auch der Schutz seines Zaubertricks. Er konnte ihn doch nicht einfach so allein lassen. Das konnte er doch nicht tun.
Hektisch wirbelte Turner einmal um die eigene Achse. Sie sahen ihn. Alle sahen ihn. Sie starrten ihn an mit ihren gemeinen, bösen Augen.
»Nein«, kreischte er. Verzweifelt krallte er seine Finger ins Haar und riss daran. Ein Mädchen schrie. Der Türsteher hinter ihm grunzte. Heißer Atem fuhr Turner ins Genick. Sein Herz trommelte wie wild in seiner Brust. Er rannte los. Um die nächste Ecke. Dabei krachte er mit der Schulter gegen harten Beton. Doch er registrierte weder den stechenden Schmerz des Aufpralls, noch die aufgeschürfte Haut an seinen Händen, mit denen er ungeschickt Halt suchte.
Gedankenlos floh er vorbei an dunklen Hinterhöfen. Rannte auf das Licht zu, das weiter vorn Hoffnung versprach. Seine beinahe tauben Ohren hörten weit entferntes Quietschen und einen dumpfen Aufprall, als das Auto, auf dessen Lichter er zugerannt war, ihn seitlich rammte. Dann erlosch das Licht und er war allein. Die Stimme und aller Trost war fort. Nichts blieb ihm mehr, außer drängende Finsternis, in der er weitertrieb, bis er versank.
~ 8. Kapitel ~
In dem man nicht ganz ungestört ein Schlachthaus besichtigt
und gewisse Talente zum Einsatz kommen
Sich aneinander stützend, kletterten sie einer nach dem anderen aus der verrußten Fensterscheibe des abgebrannten Hauses im Londoner Ostbezirk.
Hastig ließ Karen Jarouts Hand los, die sie während der Reise durch die Spiegel zu halten gezwungen war. Heimlich wischte sie sich die Finger am Hosenbein ab. Trotzdem haftete das Gefühl seiner Berührung hartnäckig an ihrer Hand. Als habe sein Schweiß einen Weg unter ihre Haut gefunden und sich dort eingenistet.
»Du liebe Güte!« Calmans erschrockener Ausruf ließ sie erschrocken aufblicken. Sofort erkannte Karen, was Calman meinte. Entsetzt sah sie sich um. Die Flammen mussten mit ungeheurer Kraft gewütet haben. Im hellen Licht der Straßenlaterne, das durch die zerstörten Fenster fiel, sah sie halb zerschmolzenen Blechdosen, die überall auf dem Boden verstreut lagen. In einer Ecke stand ein großer Schrank, von dem nur noch das metallene Skelett übrig geblieben war.
Sämtliche Fenster waren aus ihren Rahmen gesprengt. Unter der Hitze des Feuers waren sie förmlich explodiert. Auch die Scheibe, aus der sie, Jarout und Calman kamen, hing nur noch zur Hälfte im Rahmen. Der Rest lag vermutlich auf den Pflastersteinen des Innenhofs oder steckte in irgendwelchen Baumstämmen. Karen schauderte. Zum Glück war niemand in der Nähe, als die glühenden Scherben in alle Richtungen barsten. Zumindest stand davon nichts in der Zeitung. Unter der Fensterreihe erblickte sie eine Ruine, die vage noch als die Überreste einer langen Werkbank zu identifizieren war.
»Na, wenn das nicht ein Feuer war«, meinte Jarout. Er war als Erster an der einzigen Tür des Zimmers und auch schon im nächsten Raum verschwunden.
Karen und Calman folgten ihm. Dabei achteten sie darauf, sich von den Wänden fernzuhalten. Die verkohlten Steine strahlten immer noch eine unnatürliche Wärme aus und waren bis unter die Decke restlos schwarz. Auf dem Boden sammelten sich große Pfützen mit Asche vermischten Löschwassers. Sie mussten achtgeben, nicht in dem öligen Morast auszurutschen.
Als sie Jarout im Nebenraum eingeholt hatten, blieb Karen abrupt stehen. Kaum wahrnehmbar flossen sanfte Vibrationen wie elektrischer Strom durch ihren Körper. Ihr Geist reagierte spontan auf diesen schwachen Ruf, dem sie hinter den Vorhang des Sichtbaren folgte. Den Kopf zur Seite geneigt stand sie da, als lausche sie auf ein leises Geräusch.
»Was ist es?«, fragte Calman.
Jarout, der ihre Aufmerksamkeit ebenfalls bemerkte, kam zu ihnen.
»Ich weiß nicht«, murmelte Karen. »Nicht das Feuer, das sie getötet hat.« Was sie spürte, war ein undurchdringlicher Teppich von Emotionen, der von der Kraft der Flammen verschont geblieben war. Sie fühlte keine Angst, aber den Tod.
»Viele sind hier gestorben.«
»Kein Wunder, wenn hier ein Hirudo war«, meinte Jarout lakonisch.
»Was siehst du noch?«, fragte Calman und sah sich aufmerksam in dem großen dunklen Zimmer um. Obwohl er im Dunkeln wesentlich mehr sehen konnte als ein Mensch, erkannte er lediglich einige schemenhafte Umrisse. Er entdeckte halb verbrannte Vitrinen, einen glitzernden Scherbenteppich, außerdem
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