Dunkles Erbe - Blut Der Finsternis
ansehen wollten. Wie gern hätte er diesem Idioten die Wahrheit ins Gesicht geschleudert. Nicht die rechtschaffenen Leute richteten ihn. Sondern eben jene Hexe und ihre Dämonen, deretwegen ihn Lörringens Priester Wilhelm Hartmann rief.
Die verfluchte Satansbrut hatte ihn bezwungen. Sie sind diejenigen, die sie fürchten sollten. Nicht den Geist des Hexenjägers. Denn der lebt und leidet immer noch für euch, dachte Prior und schwieg, als der Mann fortfuhr, seine dumme, kleine Geschichte zu erzählen.
Leise schloss er jetzt die Tür hinter sich. Wie in Trance ging er den Weg, den sie ihn entlang geschleift hatten. Dort war die Bank, auf der seine Kinder und die Frau gelegen hatten. Und dort der Altar, auf dem er selbst in eiserne Fesseln gebunden worden war. Die Spuren der in den Stein geschlagenen Eisen waren noch da. Sie waren mit Mörtel aufgefüllt worden, doch immer noch deutlich sichtbar.
Der Mann erzählte auch, dass den Bürgern wegen Mordes der Prozess gemacht wurde. Drei von ihnen haben sie gehenkt. Und seither habe niemand mehr die kleine Kirche betreten. Die Lörringer gingen künftig in die Kirche des Nachbarortes. Sie fürchten den rachsüchtigen Geist des Hexenrichters.
Dummes Volk, dachte Prior zynisch. Zu der Zeit war er weiß Gott mit anderen Dingen beschäftigt gewesen. Gedankenverloren strichen seine kalten Finger über den unebenen Stein. Sie brannten sich wie glühende Stränge in seine kalte Haut. Sorgsam ertastete er die Rillen und Gruben, fuhr mit den Handflächen immer wieder über die raue Oberfläche. Dort, wo Arweth die Eisenstäbe in den harten Stein gerammt hatte, um Dorian Prior zu bändigen, verharrten seine Hände kurz, ehe sie weiterwanderten zu den ausgebleichten, aber immer noch sichtbaren Spuren des Blutes seiner Frau und der Kinder.
Er legte seine Wange auf den Stein, der sogar noch kälter und härter als sein Fleisch war. War sie wirklich da, die alte Spur oder sah er nur das Echo seiner Erinnerung? Oft war er nicht sicher, wie er zwischen Erinnerung und Realität unterscheiden sollte. Wie ein Fötus rollte er sich auf dem steinernen Tisch zusammen. Das Gesicht barg er Schutz suchend zwischen den Knien und schlang seine Arme fest um die angezogenen Beine. Liebevolle Erinnerungen wollte er rufen. Statt dessen sah er die schreienden Münder und angsterfüllten Augen seiner Frau und Kinder. Dahinter waberten die Fratzen seiner Peiniger. Malcolm, Serena und Arweth. Ihre Namen wiederholten sich in endloser Litanei. Hasserfüllt versuchte er sie fortzujagen, doch sie ließen sich nicht vertreiben. Daran konnte auch Serenas Demut nichts ändern. Sie war immer noch eine von ihnen. Sein Werk musste sich erfüllen. Und sie war nicht zu retten, das sah er ein. Sie war das Kind und das Kind war die Rache. Ihm blieb noch diese Nacht, um seinem Besuch einen würdigen Empfang zu bereiten. Dann musste er nur noch abwarten. Die Frage, ob Arweth seine Botschaft verstehen würde, stellte er sich nicht.
Sie war so unmissverständlich, dass der Albino sofort wissen würde, wer der Absender war. Dann wusste er auch, wo er ihn fand und dass Serena bei ihm war. Um ganz sicher zu gehen, hatte er Arweth einen Brief beigelegt. Möglich, dass der Albino ebenso vergesslich war wie Serena.
Triumphierend stellte sich Prior Arweths Reaktion vor. In genau neuneinhalb Stunden von jetzt an brach seine heile Welt zusammen. Zu gern hätte er das Gesicht des Vampirs gesehen. Dann könnte er die Überraschung und die Angst darin lesen, wenn den rotäugigen Hirudo die Erkenntnis wie ein Blitzschlag durchfuhr und er rein gar nichts würde unternehmen können, weil die Sonne aufging und ihn zwang, bis zur nächsten Nacht auszuharren.
~ 10. Kapitel ~
In dem wichtige Funde
nur wenig Aufschluss geben
Kopfschüttelnd trat Calman aus der Telefonzelle, die er gleich nach ihrem Eintreffen in Islington aufgesucht hatte, um Lucas und Arweth den aktuellen Stand der Dinge mitzuteilen. Das eben geführte Gespräch hatte ihn zu Anfang verwundert, dann in Rage gebracht und zu guter Letzt frustriert. Lucas meinte, Karen solle sie weiterhin begleiten. Er behauptete, sie habe die Teilnahme an ihren Nachforschungen in London verdient. Schließlich habe sie die entscheidenden Informationen geliefert. Außerdem hat Jarout versprochen, seine Schwester im Notfall sofort nach Hause zu bringen. Und war diese gemeinsame Unternehmung nicht eine wunderbare Gelegenheit für die beiden, wieder zueinanderzufinden? Erst als
Weitere Kostenlose Bücher