Dunkles Erbe - Blut Der Finsternis
dann rufst du uns! Keine Einzelaktionen, klar!« Calman warf Jarout, der genervt die Augen verdrehte, einen ernsten Blick zu. Sie brauchten nicht lange suchen, denn schon bei der dritten Tür im ersten Stock wurden sie fündig. Wieder klopfte Calman erst, ehe er Jarout aufforderte, die Tür gewaltsam zu öffnen.
Als sie die Wohnung betraten, wurde klar, dass niemand zuhause war. Tatsächlich schien das Appartement seit langer Zeit leer zu stehen. Calman suchte nach dem Lichtschalter. Was für ein Zufall, dachte er zynisch, als auch hier die Lampen dunkel blieben. Also kein Strom. Weder im Flur noch hier. Vermutlich im ganzen Haus. Seltsam, wie hoch standen die Chancen dafür, dass ausgerechnet heute die Leitungen versagten. Ein bitterer Verdacht keimte in ihm. War womöglich das ganze Haus verlassen?
Vorsichtig tasteten sie sich weiter den Wohnungsflur entlang. Der Gestank verdorbener Nahrungsmittel hing in der abgestandenen Luft. Ein Blick in die Zimmer bestätigte die Vermutung, dass seit Wochen niemand mehr diese Räume aufgesucht hatte. Die Einrichtung war in einem Zustand, den man nur als erschreckend bezeichnen konnte. Eine dicke Staubschicht lag auf sämtlichen Flächen und Polstern. Dicke Spinnweben hingen wie skurriles Lametta von Möbeln und Wänden. Außer in einem Raum, dem Wohnzimmer. Dort lagen Vasen, Bilderrahmen und andere zerbrechliche Gegenstände, rücksichtslos zerschmettert als glitzernder Scherbenteppich auf dem Boden. Auch das Mobiliar war diesem Vandalismus zum Opfer gefallen. Umgestürzte Regale, Sessel mit aufgeplatzten Polstern, selbst die Gardinen hingen in Fetzen von der Stange. Diese Spuren roher Zerstörungswut waren frisch. Ganz deutlich zeichneten sich Hand und Fingerabdrücke in der grauen Staubschicht ab.
»Sieht aus, als sei unser Freund nicht hier, was?«, bemerkte Jarout so treffend wie nie.
»Lange kann es aber nicht her sein, dass er hier war«, rief Karen, die sich im Dunkeln ins Nebenzimmer getastet hatte. Sie kam zu ihnen und blieb in der Tür stehen. In der Hand hielt sie eine Taschenlampe, deren Licht zwar flackerte, aber immer noch hell genug war.
»Die Dusche ist sauber und die Luft im Badezimmer riecht nach Parfüm. Er war bestimmt erst vor ein paar Stunden hier«, verkündete sie, mit dem Daumen hinter sich deutend.
»Dann, meine Freunde, ist der Bewohner dieses Ortes kein lang verschollener Vermisster, sondern ein Schwein, bah!« Mit spitzen Fingern klaubte Jarout eine angegammelte Bananenschale von der Unterseite des umgestürzten Couchtischs. »Ekelhaft. Wir räumen nach dem Essen wenigstens auf.«
»Wir sollten nach Hinweisen auf den Hirudo suchen. Vielleicht finden wir Unterlagen, Tagebücher, Notizen. Irgendetwas, das der Typ heimlich aufbewahrt hat«, schlug Calman vor und trat einige Kissen aus dem Weg, die vor dem Sofa lagen.
»Großartig, in meinem Vertrag stand nichts davon, dass ich eine Müllkippe durchwühlen muss«, protestierte Jarout und machte sich doch daran, die verklemmten Schubladen der miserabel lackierten Anrichte zu öffnen. Ächzend gab das malträtierte Holz nach und Jarout beförderte unzählige Feuerzeuge, Heftzwecken, Gummibänder und anderen gesammelten Krempel zutage. Er warf die Sachen kurzerhand hinter sich, ohne Rücksicht darauf, wo sie landeten.
»Hey, sei ein bisschen vorsichtig damit«, schimpfte Calman.
»Wozu? So wie’s hier aussieht, fällt das bisschen mehr Müll sowieso nicht auf.«
Calman stieß einen schnaubenden Laut durch die Nase. »Schon mal was von systematischer Suche gehört? Dazu gehört auch, dass man den durchsuchten Bereich von dem nicht durchsuchten trennt.«
Jarout zuckte die Schultern und ließ eine Handvoll Kugelschreiber zu Boden rasseln. »Mach ich doch.«
Calman schüttelte resigniert den Kopf und beschloss, sich in der Küche umzusehen. Verbrachte er auch nur noch eine Minute länger mit diesem Kerl, verlor er endgültige die Geduld. Karen folgte ihm. »Ich habe Haare im Waschbecken gefunden«, verkündete sie. Fragend zog Calman die Augenbrauen hoch.
»Na ja, er hat sich die Haare geschnitten«, erklärte Karen.
»Oh«, entfuhr es Calman. Er war gerade dabei, den Mülleimer näher in Augenschein zu nehmen. Doch der gelbe Plastikbehälter war, bis auf die angetrockneten Reste einer undefinierbaren Masse, leer. »Und den Müll hat er auch rausgebracht«, kommentierte er und ließ den Mülleimerdeckel wieder zuklappen. »Ich werde mich mal im Haus umsehen«, meinte er.
»Hm, ich weiß
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