Dunkles Feuer
das Haar. Zuerst schien er die Berührung nicht zu bemerken, aber dann fasste seine Hand nach der ihren.
Eve wurde in einen Taumel der Gefühle gerissen. Die tief vergrabene Liebe zu Steve erwachte in ihr, verlangte ihr Recht, und als sich sein Blick hob, seine Augen sie unter dem Schimmer der Tränen ansahen, flog die Zeit zurück in die Vergangenheit. Mit beiden Händen umfasste sie sein Gesicht, zog es zu sich heran. Ihre Küsse waren ein zarter Sturm und schließlich fanden sich ihre Lippen zu einem vereinigenden Kuss. Eves Atem ging schwer, als sie sich voneinander lösten.
Sie sah sein Verlangen.
„Nein“, sagte sie leise.
„Ja“, hauchte er fast unhörbar.
Richard stand an der Union-Station und wurde immer unruhiger.
Er hatte Liz angerufen und ihr von den fünfzigtausend Dollar erzählt, die sie benötigten. Nach kurzer Beratung hatte jeder von ihnen sein Möglichstes getan, das Geld aufzutreiben. Liz hatte alles Geld vom gemeinsamen Konto abgehoben. Siebzehntausend Dollar.
Richard hatte einen von Eves Scheck bei seiner Hausbank eingelöst. Die Unterschrift war gefälscht, aber dass Richard für seine Frau Geld abhob, war für die Angestellten nichts Ungewöhnliches, da sich Eve Turner nur selten in der Filiale blicken ließ. Die noch fehlende Summe hatte er sich vom Firmenkonto besorgt. Das Geld war für die Anzahlung des neuen Computersystems gedacht, aber Richard wusste, dass MedicSoft nie wieder ein neues System benötigen würde.
Schließlich hatten er und Liz sich in einem Motel außerhalb der Stadt getroffen. Beiden war die Anspannung anzumerken, und zum ersten Mal, seit sie sich kannten, schliefen sie nicht miteinander.
Liz war kurz nach der Geldübergabe gegangen, eine Tatsache, die Richard maßlos ärgerte. Sie hatte bei der ganzen Sache mehr zu gewinnen, aber sie überließ ihm das Risiko.
Dreißig Minuten lang hatte er auf dem schmuddeligen Bett in dem kargen Zimmer des Motels gesessen und überlegt, ob er den Mordauftrag wirklich durchziehen oder sich mit den fünfzigtausend Dollar aus dem Staub machen sollte, aber die Aussicht auf sechs Millionen Dollar hatte den Ausschlag gegeben. Verdammt, er war so weit gegangen, er konnte auch noch weitergehen.
Mit zitternden Fingern hatte er die Nummer der Bar gewählt. Big Fat hatte nach dem zweiten Läuten abgehoben und sich auf seine typisch brummige Art gemeldet. Richard hatte ihm gesagt, dass er das Geld habe, und der Barkeeper hatte ihn zu der U-Bahnstation befohlen, in der er sich jetzt befand.
Hier unten war es kalt und zugig. Richard bedauerte inzwischen, dass er bloß ein leichtes Jackett trug. Er schlug den Kragen hoch, aber auch das half nicht gegen die Kälte. Neben ihm auf der Bank lag ein Obdachloser. Ein struppiger Vollbart überwucherte sein Gesicht. Sein dürrer Körper war in einen abgewetzten Army-Parka gewickelt. Die bloßen Füße steckten in abgelatschten Turnschuhen. Er schlief, aber bei jedem tiefen Atemzug bleckten sich seine Lippen und offenbarten eine Reihe verfaulter Zähne. In seinen runzligen Händen hielt er eine Papiertüte, in der sich eine Flasche abzeichnete, und die er wie einen Säugling an sich presste. Allein bei dem Anblick des Penners zog sich Richards nervöser Magen noch mehr zusammen.
Die Zeit schien stehen geblieben zu sein. Immer wieder wanderten Richards Augen zu der Uhr mit dem großen Zifferblatt, die sich schräg links von ihm befand. Außer ihm und dem Penner war nur noch ein junges Paar auf dem Bahnsteig, Teenager mit pickeligen Gesichtern, die sich küssten, als würde morgen die Welt untergehen.
Endlich klingelte sein Handy. Bei dem Geräusch zuckte der Obdachlose neben ihm, erwachte aber nicht, sondern strampelte nur wie ein schlafender Hund mit den Füßen.
„Okay Mann“, meldete sich Big Fat. „So läuft die Sache, also hör’ genau zu, denn ich werde es nicht zweimal sagen. In wenigen Minuten läuft auf dem Bahnsteig ein Zug in Richtung Wheaton ein. Du steigst ein und setzt dich in den letzten Waggon.“
„Was ...?“, wollte Richard fragen, aber Fat hatte schon aufgelegt.
Verdammt! Was soll der Schwachsinn? dachte er. Dieser Scheißtyp benimmt sich wie in einem Agentenfilm.
Am liebsten hätte er Big Fat das Geld persönlich übergeben, aber davon hatte der Barkeeper nichts hören wollen. Richard gefiel der Gedanke nicht, dass ein Fremder sein Gesicht sehen würde. Wenn etwas schief ging, konnte ihn der Mann identifizieren.
Der Bahnsteig füllte sich nun zusehends, ein
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