Dunkles Feuer
Radarschirm verloren. Die Zentrale fragte mehrfach nach, ob sie eine Ahnung hätten, wohin Sanders wollte, aber darauf konnten sie keine Antwort geben.
In Strasburg fuhren sie auf den US Highway 11. Sie passierten Woodstock, New Market und eine Unzahl kleinerer Ortschaften. Es war eine schöne Gegend. Rechts von ihnen lagen die Appalachian Mountains, und Kessler nutzte die Gelegenheit, ein wenig aus dem Fenster zu sehen.
Kurz vor Harrisonburg verließ der Jeep den Highway und hielt auf ein wunderschön renoviertes Restaurant zu. Der Wagen parkte ein, und kurz darauf öffneten sich die Fahrzeugtüren.
Stanton und Kessler saßen wie vom Donner gerührt in ihren Sitzen, als ein älteres Ehepaar, beide weit über sechzig, das Auto verließen und langsam an ihnen vorbei zum Restaurant gingen.
Steve Sanders hatte sie schon wieder ausgetrickst.
Zur gleichen Zeit, als Stanton und Kessler entdeckten, dass sie die ganze Zeit dem falschen Wagen gefolgt waren, bog Steve in einen schmalen, holprigen Waldweg ein. Die Jagdhütte seines Vaters lag in der Nähe der Stadt Nanticoke in der Chesapeake Bay in einem versteckten Waldstück direkt am Wasser.
Die Luft war angenehm warm, und Steve hatte das Fenster heruntergekurbelt. Der Duft der hohen Tannen, Fichten und Lärchen vertrieb den beißenden Geruch der Zigaretten, die er während der Fahrt geraucht hatte.
Als er jetzt auf das robuste, kleine Blockhaus zuhielt, dachte er kurz an seine Verfolger. Wo mochten sie jetzt wohl sein?
Steve gestattete sich ein kurzes Lächeln bei dem Gedanken, dass sie dem falschen Fahrzeug hinterherfuhren.
Als er aus dem Kaufhaus verschwunden und zurück zum Parkhaus geschlichen war, hatte er seine Nummernschilder abgeschraubt und den Peilsender entfernt. Mit diesen beiden Gegenständen und einem Schraubenzieher in der Hand hatte er das Parkhaus nach einem Fahrzeug abgesucht, das in Typ und Farbe seinem Wagen exakt entsprach.
Der Jeep Cherokee, mit seinen vier Litern Hubraum und dem Reihensechszylindermotor, war ein beliebtes Fahrzeug in den Staaten und dunkelgrün war die häufigste Farbe bei diesem Wagen. Es war nicht schwer gewesen, in einem großen Parkhaus ein zweites Fahrzeug dieser Art zu finden. Zehn Minuten später hatte er die Nummernschilder des fremden Wagens mit seinen eigenen vertauscht und den Peilsender angebracht. Danach war er in das Kaufhaus zurückgegangen und hatte sich wieder sehen lassen, um seine Verfolger nicht misstrauisch zu machen, bevor er erneut verschwand. Dann hatte er nur noch warten müssen, bis der andere Jeep das Parkhaus verließ. Verborgen zwischen parkenden Wagen hatte er beobachtet, wie die Besitzer des zweiten Cherokee, ein älteres Ehepaar, einstiegen und davon fuhren.
Nun lag Washington und alles andere weit hinter ihm. Steve parkte den Wagen unter einer Gruppe windgebeugter Tannen und begann, seine Vorräte auszuladen.
22. Kapitel
10.Mai
Drei Tage waren seit Steve Sanders Verschwinden vergangen und es gab noch immer keinen Hinweis darauf, wo er sich versteckt hielt.
Sanders hatte sich weder bei seiner Frau, seinem Partner noch in der Firma gemeldet, in der Linda Hamsher die meiste Zeit des Tages allein arbeitete. Anscheinend wusste auch niemand, wo sich Steve im Augenblick befand.
Wie nicht anders zu erwarten gewesen, machte ihn McIvor persönlich für die bisherigen Misserfolge verantwortlich. Ihr freundschaftliches Verhältnis war gestört und würde wahrscheinlich nie wieder das werden, was es einmal gewesen war. Holden erkannte, dass sein Vorgesetzter von Ehrgeiz zerfressen war und die Dinge nicht mehr nach Recht oder Unrecht hinterfragte. Für ihn gab es nur Erfolg und Misserfolg.
Holden ertappte sich immer wieder dabei, wie er über den Sinn der ganzen Aktion nachgrübelte. Ursprünglich war er mit dem ehrenhaften Ziel in die Armee eingetreten, sein Land und alles, für was es in der Welt stand, vor Feinden zu schützen.
Nun tötete er Amerikaner. Zivilisten, die, auch wenn sie Verbrecher, Drogendealer und Mörder waren, ein Recht auf eine ordentliche Gerichtsverhandlung hatten. Dass er damit Steve Sanders schützen wollte, war für Holden nur noch ein schwacher Trost.
Alles war so kompliziert geworden, Freund und Feind nicht mehr eindeutig identifizierbar. Früher hatte der Gegner eine fremde Uniform getragen und war bewaffnet gewesen, aber die Welt um Holden herum hatte sich verändert, und er wusste nicht, ob er sich selbst so weit verändern konnte, dass er Mord als legales Mittel
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