Dunkles Feuer
des bezaubernden Gefühls, das von ihrem ganzen Selbst Besitz ergriffen hatte. Doch seine Reaktion enttäuschte sie.
»Ich würde mich am liebsten auf ewig hier mit dir verstecken. Wovor, fragst du? Von der gesamten Welt, vor dem Morgen, der dich mir wieder entreißt. Eigentlich hatte ich vor, heute eine ganz besondere Nacht mit dir zu verbringen, ein unbeschwertes Fest, eine Feier unserer Liebe. Doch wie könnte ich feiern, wenn ich weiß, dass du mich morgen verlässt?« Aufgeregt erhob er sich und öffnete das Fenster. Schweigend ließ er die kühle Nachtluft über sein Gesicht streichen. Julie war erstaunt.
»Aber ich gehe jeden Morgen weg. Und jede Nacht komme ich wieder zu dir.« Sie streckte ihre Hand nach ihm aus.
»Doch heute wolltest du nicht mehr.«
»Oh doch, ich wollte. Aber ich hatte Angst.«
Überrascht sah er sie an. »Angst? Etwa vor mir? Oh Julie.« Ihr Name kam fast wie ein Stöhnen aus seinem Mund. Er beugte sich zu ihr nieder und umarmte sie stürmisch. »Wieso solltest du dich vor mir fürchten?«
Jetzt kam sie sich tatsächlich albern vor. All die Sorge, die sie vor dem Schlafengehen verspürt hatte, die Ahnung einer drohenden Gefahr war wie weggebrannt von seinem leidenschaftlichen, feurigen Blick. Doch bevor sie etwas erwidern konnte, wandte er sich wieder ab.
»Es ist sinnlos, verzeih mir, Julie. Dein Entschluss steht fest, und ich will es dir nicht noch schwerer machen.«
»Welcher Entschluss?«
»Der Entschluss, mich zu verlassen, das ist es doch, was du am Morgen vorhast.«
Langsam verstand Julie. »Du meinst, weil ich darüber nachgedacht habe, das Schloss zu verlassen?«
»Ja.«
»Aber damit verlasse ich doch diesen Ort, nicht dich.«
»Das ist dasselbe.«
»Aber du sagtest doch selbst, du bist mein Traum. Und ich kann überall von dir träumen. Der Ort, an dem ich schlafe, ist doch nebensächlich.« Julie sah ihn hoffnungsvoll an. Doch er schüttelte nur traurig den Kopf.
»Nicht für diesen Traum. Wenn du von hier weggehst, kann ich dir nicht folgen. Ich würde dich niemals wiedersehen.«
Erst als er diese Worte aussprach, wurde Julie bewusst, wie tief sie dieser Verlust treffen würde. Sie wollte nicht, dass diese Träume aufhörten, sie wollte es auf gar keinen Fall. Doch sie konnte es nicht begreifen.
»Wieso? Warum bist du so anders als jeder Traum, den ich je hatte?« Sie sah ihm fest in die Augen. »Ich will dich nicht verlieren, aber ich muss es wissen.«
Er wandte seinen Blick ab, während er mit sich selbst zu ringen schien. »Du fragtest mich mal nach meinem Namen ...«
»Doch du antwortetest mir nicht.«
»Ja, ich schwieg, weil ich mich fürchtete, dich zu verlieren. Doch nun sollst du ihn erfahren. Mein Name ist Frederik, Earl of Fenwick.« Er verstummte und sah sie abwartend an.
»Frederik of Fenwick«, wiederholte Julie. »Der Name kommt mir irgendwie bekannt vor.« Plötzlich sog sie scharf ihren Atem ein.
»Du erinnerst dich also«, bemerkte er mit einem grimmigen Lächeln.
»Du bist gar kein Traum. Du bist ... du bist ...«
»Verflucht? Tot? Ein Geist? Such dir eins aus, es ist alles zutreffend.«
»Aber wie ist das bloß möglich? Das glaube ich einfach nicht. Das ist nur ein blöder Traum, es kann nur ein Traum sein.«
Traurig sah er sie an. »Du warst bereit mir zu vertrauen, als du mich für eine Gestalt deiner Fantasie hieltest. Du warst sogar bereit mich zu lieben. Doch nun, da du weißt, dass ich weitaus realer für dich bin, da zerplatzen deine Gefühle wie eine Seifenblase. Deswegen habe ich geschwiegen.« Er streichelte ihr sanft über das Gesicht. »Auch wenn es nur eine Illusion war, die uns verband, mir hat sie unendlich viel bedeutet. Und ich werde die Erinnerung daran ewig in meinem Herzen tragen. Und nun, leb wohl.« Er hauchte ihr einen letzten Kuss auf die Lippen und verschwand schnell hinter dem Samtvorhang. Als Julie ihm hinterher in den Saal eilte, war von Frederik bereits keine Spur mehr zu sehen.
Ratlos blickte sie sich um. Sie war ganz allein. Auf einmal fühlte sie sich auch so, sie hatte sich noch nie zuvor so einsam und verlassen gefühlt wie in diesem Moment. Ziellos lief sie durch die leeren Räume, von einem inneren Zwang angetrieben. In diesem Moment wusste Julie nicht einmal mit Gewissheit, ob sie Frederik finden wollte oder ob sie ihm zu entfliehen versuchte. Wenn das tatsächlich ein Traum war, so wünschte sie sich sehnlichst, sie möge aufwachen. Manchmal kam es ihr so vor, als spürte sie seine Berührung auf ihrem Rücken, ihren
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