Dunkles Feuer
nachdenkst, wirst du das auch einsehen. Bitte, versprich mir, dass du darüber nachdenkst, bevor du dich schlafen legst.«
»Ich verspreche es dir.« Sie hielt kurz inne. »Danke, dass du mir noch immer eine Kopfwäsche verpasst, wenn ich eine brauche.« Sie umarmte ihn fest. »Du bist mein bester Freund, Peter. Und nichts und niemand wird daran jemals etwas ändern können.« Sie drückte ihm einen Kuss auf die Stirn. »Gute Nacht.« Julie stieg die Treppe zu ihrem Schlafzimmer hinauf.
Oben setzte sie sich vor ihren Spiegel und fuhr nachdenklich mit der Bürste durch ihre Haare. Hatte Peter Recht? Ließ sie sich zu sehr von ihren Träumen beeinflussen? Er glaubte, dass dies ihre Art war, mit Daniels Unfall und ihren Schuldgefühlen umzugehen. Doch sie wusste, dass es nicht stimmte. Ihre Träume hatten nichts mit Daniel zu tun. Sie schämte sich, zuzugeben, dass sie in den letzten Tagen kein einziges Mal an ihn gedacht hatte.
Eigentlich hatte sie an gar nichts mehr denken können als an ihre Träume. Und auch jetzt drängte ein Teil von ihr, einfach schlafen zu gehen und nicht länger darüber zu grübeln.
Doch je mehr sie darüber nachdachte, desto mehr stimmte sie Peter zu, dass sie sich über Nacht verändert hatte. Auch sie erkannte sich nicht wieder. Ihre Träume kamen ihr fast realer vor als ihr wirkliches Leben. Dort war sie glücklich. Dort hatte sie gefunden, wonach sie sich ihr ganzes Leben lang gesehnt hatte - die wahre, die einzige, die große Liebe.
Sie hatte sich immer gefragt, ob es sie tatsächlich gab, oder ob Menschen sie nur erfanden, um eine Hoffnung zu haben. Nun hatte sie ihre Antwort. Sie wusste, dass sie sie finden konnte, denn in ihren Träumen hatte Julie sie erfahren.
Und auf einmal hatte sie Angst, sich in ihrer Fantasiewelt zu verlieren.
Noch etwas Anderes beschäftigte sie. Wie konnte sie im Schlaf Dinge sehen, von deren Existenz sie nicht einmal wusste? Wer war der geheimnisvolle Fremde? Und wie konnte er sich dessen bewusst sein, dass er nur in ihrer Fantasie existierte? Träume sollten dazu dienen, Erlebnisse zu verarbeiten, soviel wusste sie. Doch ihre ließen sie Neues erleben.
Vielleicht hatte dies doch etwas mit dem Ort zu tun. Vielleicht hatte sie zuviel über Geister und Flüche nachgedacht. Und vielleicht waren es bloß ganz normale Träume. Sie wusste es nicht. Doch sie spürte, dass sie nicht auf sie verzichten wollte. Sie wollte gar nicht, dass sie aufhörten. Vielleicht war dies gerade das, was ihr die meisten Sorgen bereitete.
Julie legte ihre Bürste hin und betrachtete sich im Spiegel. Sie wirkte blass und angespannt. Wahrscheinlich hatte Peter Recht, die Träume waren nicht gut für sie.
Sie fasste ihre Entscheidung. Morgen würde sie mit Peter reden, und wenn er wirklich glaubte, dass sie abreisen sollten, dann würden sie es wirklich tun. Auf einmal vertraute sie seinem Urteil mehr als dem ihren, denn sie wusste, dass er sie immer nur beschützen wollte.
Mit diesem Entschluss ging Julie ins Bett. Zum ersten Mal seit Tagen fürchtete sie sich davor, was ihre Träume ihr bringen würden.
Frederik hatte Julie die ganze Zeit über beobachtet. Er versuchte, in ihrem Gesicht, ihren Augen zu lesen, denn er wusste, dass sie gerade über sein Schicksal entschied. Doch konnte er dort nichts erkennen, außer dem inneren Kampf, den sie ausfocht.
Sollte er etwa so kurz vor dem Ziel schon wieder scheitern? Würde sie einfach so aus seinem Leben verschwinden?
Langsam kam er näher und beugte sich so wie jede Nacht über die schlafende Julie.
Julie blickte sich um. Sie stand in einem großen, hell erleuchteten Raum. Obwohl sie keine anderen Menschen sah, wirkte der Raum, als wäre er für ein Fest zurechtgemacht worden. Sie drehte sich um, als sie seine Gegenwart hinter sich spürte. Er nahm ihre Hand.
»Ich hatte schon fast gefürchtet, du würdest nicht kommen.«
»Ich war mir auch nicht sicher, ob ich kommen wollte.«
»Trotzdem bist du hier.« Er führte sie zu einem kleinen Sofa, das in einer kleinen Nische, halb verborgen hinter schweren Samtvorhängen, stand.
Julie lächelte, als er die Vorhänge hinter ihnen zuzog, so dass nur noch das helle Mondlicht durch das große Fenster an der Rückwand der Nische hereinfiel. »Wovor willst du dich verstecken? Wir sind doch auch so ganz allein.« Sie rückte etwas näher an ihn heran. Trotz ihrer Bedenken fühlte sie sich magisch von ihm angezogen. Trotz allem erhoffte sie sich nach dem letzten Kuss nun zumindest eine Wiederholung
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