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Dunkles Feuer

Dunkles Feuer

Titel: Dunkles Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elvira Zeissler
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Schultern, ihrem Nacken. So sanft wie ein Windhauch und doch real. Aber wenn sie sich umwandte, war sie immer allein. Sie sagte sich, dass sie sich alles nur einbildete, doch jedes Mal, wenn sie seine Gegenwart spürte und im leisen Rascheln der Vorhänge im Wind ihren geflüsterten Namen hörte, wandte sie sich halb hoffnungsvoll, halb ängstlich um und war erleichtert und enttäuscht zugleich, wenn sie wieder einmal nichts vorfand.
Schließlich, sie wusste nicht, wie, war sie wieder in der großen Halle angelangt, in der Frederik sie in dieser Nacht empfangen hatte. Doch dieses Mal war sie leer. Er war nicht zurückgekommen.
Resigniert blickte Julie sich um, sie war gefangen in ihrem Traum, und es gab nichts wo sie noch hingehen, was sie noch tun konnte. Müde setzte sie sich hin. Sie hatte das Gefühl, als wäre sie ewig durch die leeren Gänge und Gemächer gelaufen.
Nun, da sie zur Ruhe kam, wendeten sich ihre Gedanken wie selbstverständlich Frederik zu.
Sie hatte geglaubt, sie würde ihn kennen, und doch offenbarte sich ihr eine neue Regung in seinem Charakter. Es kam ihr vor, als würde er sie mit feiner Grausamkeit dafür bestrafen, dass sie das Schloss verlassen wollte. Wie konnte er sie bloß so allein lassen, gefangen in einem unsichtbaren Netz? Sie diese vollkommene Einsamkeit spüren lassen, als wäre sie der einzige noch lebende Mensch. Anscheinend hatte er eine dunkle Seite, die er bisher vor ihr versteckt gehalten hatte, doch nun bekam sie sie in aller Deutlichkeit zu spüren.
Sie stellte sich vor, wie er in den leeren Räumen gehockt und darauf gewartet hatte, dass sie zu ihm kam. Dass er, aus welchem Grund auch immer, sie zu seiner Zerstreuung benutzt hatte und vielleicht einfach, um sich die Langeweile zu vertreiben, mit ihr gespielt hatte.
Doch dann tauchten seine Augen vor ihrem inneren Blick auf, sie hörte seine sanfte, tiefe Stimme in ihren Ohren, erinnerte sich an seine Zärtlichkeit und daran, wie geborgen sie sich bei ihm gefühlt hatte. Nein, das konnte nicht alles gespielt gewesen sein. Aber die kleine Stimme in ihr war damit nicht zum Schweigen zu bringen. Du weißt nicht, wozu er im Stande ist oder wie lange er schon auf so eine Gelegenheit wartet, sagte sie sich.
Hinter ihr flatterte plötzlich der Vorhang im Wind, und das Geräusch schickte ihr eine Gänsehaut über den Rücken. Sie wurde sich der unheimlichen Stille bewusst, die überall herrschte. Warum nur tat er ihr das an? Verzweifelt blickte sich Julie nach allen Seiten um.
Und auf einmal, da verstand sie es, und sie schämte sich ihrer Angst und ihrer Vorwürfe. Das, was sie in der letzten Stunde erlebt hatte, bestimmte seit zumindest Jahrzehnten sein Dasein. Es war nicht richtig von ihm, doch sie verstand, warum er das getan hatte.

Julie wachte auf. Zum ersten Mal seit langer Zeit hatte sie richtig geträumt. Von ihrer Kindheit, ihrem Vater und Peter. Und diese unbeschwerten Träume hatten den düsteren Traum mit Frederik überlagert, relativiert, ihn zu dem gemacht, was er wirklich war - einem Traum.
Julie lächelte, es ist schon erstaunlich, was sich alles in einem Kopf abspielen konnte und wie real es einem dann vorkam. Doch wenn man aufwachte, verflüchtigte sich der Eindruck meistens wieder. Zugegeben, ihre Träume mit Frederik sind ihr alle gut im Gedächtnis geblieben, aber sie konnte einfach nicht mehr verstehen, wie sie - wenn auch nur im Traum - ernsthaft an seine Existenz geglaubt haben konnte.
Eigentlich war es sogar schade, dass Frederik nicht real war. Wenn sie ganz großes Glück in ihrem Leben hatte, würde sie vielleicht in der realen Welt jemanden treffen, der so war wie er. Julie lächelte über ihre Naivität. Natürlich war Frederik die Verkörperung ihres Traummannes, er war immerhin das Produkt ihrer Fantasie, die Manifestation all ihrer Wünsche.
Es ist wirklich besser, wenn ich schnell zur Vernunft komme, dachte Julie, bevor sie wieder zu sehr ins Schwärmen geriet. Es war äußerst gefährlich, wenn sie sich ernsthaft in ihre Traumfigur verlieben würde, denn kein Mann könnte da jemals mithalten. Sie würde alle mit Frederik vergleichen, und sie war sich der Tatsache durchaus bewusst, dass kein realer Mann existierte, der ihrer Traumvorstellung so genau entsprach. Es wurde Zeit, dass sie sich das alles aus dem Kopf schlug und ihr Leben ganz normal weiterlebte. Sie würde gleich damit anfangen. Sie würde zu Peter gehen und ihm die ganze Sache erklären. Und wenn er dann immer noch der Ansicht war,

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