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Dunkles Feuer

Dunkles Feuer

Titel: Dunkles Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elvira Zeissler
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dass sie abreisen sollten, würden sie es tun.
Energisch stand Julie auf. Sie ging zum Waschschrank und goss sich etwas kaltes Wasser aus dem Krug in die Schüssel. Gerade als sie ihr Gesicht mit den nassen Händen abreiben wollte, fiel ihr Blick auf einen kleinen Umschlag, der angelehnt am Spiegel stand.
Julie stutzte, so einen Brief hatte sie schon einmal bekommen. Mit zittrigen Händen nahm sie den Umschlag, ohne darauf zu achten, dass ihre Finger feuchte Abdrücke auf dem dünnen Papier hinterließen. Auch diesmal stand kein Absender drauf. Doch auf der Vorderseite stand in schönen altmodischen Buchstaben ihr Name. Als sie ihn öffnete, kam ein einzelnes gefaltetes Blatt Papier zum Vorschein.
Mit klopfenden Herzen faltete Julie das Blatt auseinander und überflog den Inhalt.

Aus einer Ewigkeit der Finsternis hast du mich befreit,
mein heller Sonnenstrahl, der mir die dunkle Nacht vertreibt.
Du brachtest Leben, Glanz und Seligkeit in meine trostlose Existenz,
und niemals kannte mich ein andrer Mensch so inniglich, wie du mich kennst.

Doch wie ein greller, schneller Blitz, der die dichte Dunkelheit zerreist,
so schnell gehst auch du nun fort, obwohl du um meinen Weg zum Himmel weißt.
Doch auch wenn mein Herz dabei im stummen Schmerz vor Einsamkeit vereist,
dank' ich dem launenhaften Schicksal, das dich zu mir geführt
und das erlaubt hat, dass dein Herz das meinige berührt.

Ich werde dich niemals vergessen
In Liebe
dein Frederik
auf ewig

Als sie den Absender sah, wurde sie ganz bleich, der Zettel entglitt ihren kraftlosen Fingern und segelte unter ihr Bett. Julies Knie gaben nach, und wäre da nicht ein niedriger Schemel gewesen, sie wäre zu Boden gestürzt. Denn ihre ganze Welt wurde auf einmal auf den Kopf gestellt, und alles, was vor einigen Minuten noch ganz vernünftig erschienen war, war es nun nicht mehr.

Peter, der gerade aus seinem eigenen Schlafzimmer kam, riskierte einen Blick durch ihre halb geöffnete Zimmertür. Als er Julie reglos und nur mit dem Nachthemd bekleidet auf dem Schemel sitzen sah, kam er besorgt auf sie zu. Zuerst schien sie seine Gegenwart gar nicht wahrzunehmen, doch als er sie sanft an der Schulter berührte, blickte sie langsam zu ihm auf. Trotzdem brauchte sie einige Augenblicke, um ihn zu erkennen. Sie lächelte ihm schwach zu, was wohl beruhigend sein sollte, seine Wirkung jedoch völlig verfehlte.
»Fehlt dir was, Julie? Fühlst du dich nicht wohl?« fragte Peter alarmiert.
»Nein, alles bestens.« Sie klopfte leicht auf seine Hand und riss sich zusammen. »Lass mich nur schnell etwas anziehen, wir haben noch viel Arbeit vor uns.«
»Du meinst unsere Sachen zusammenpacken.« Es sollte eine Feststellung sein, und doch schwang da ein fragender Unterton mit.
Julie schüttelte traurig den Kopf. »Nein Peter, ich kann hier nicht weg. Noch nicht. Es ist unmöglich«, fügte sie leise hinzu, wobei er sich nicht sicher war, ob sie das zu ihm oder mehr zu sich selbst gesagt hatte.
»Aber wieso denn nicht? Gestern Abend warst du doch schon fast einverstanden.«
Es brannte ihr auf der Zunge, ihm zu sagen, dass seit dem Abend soviel passiert war, dass sie auf keinen Fall jetzt einfach abreisen konnte. Nicht, bevor sie wusste, was vor sich ging. Doch sie spürte, dass er es nicht verstehen würde. Bestenfalls würde er glauben, dass sie geistig verwirrt war. Vielleicht stimmte das ja auch. Und doch, der Brief war echt gewesen.
Julie blickte Peter um Verständnis bittend an. Sie hoffte, dass ihre Stimme fest und sachlich klang.
»Ich habe darüber nachgedacht, weißt du. Und eigentlich ist doch gar nichts passiert, was eine Abreise rechtfertigen würde. Absolut gar nichts. Denk doch nur daran, wie wir es dem Besitzer erklären sollten, dass wir einfach so alles liegen lassen und ohne jeglichen Grund abreisen.«
Doch Peter war jenseits jeder Vernunft. »Ich pfeif' auf den Besitzer und Erklärungen. Pah! Kein ersichtlicher Grund! Ich brauche nur dich anzusehen, und schon habe ich alle Gründe dieser Welt, um von hier zu verschwinden, ohne auch nur irgendjemandem irgendetwas zu sagen!« Sie sah, wie sich seine freie Hand zur Faust ballte, und versuchte, sie mit ihrer eigenen zu lösen.
»Und wohin sollten wir gehen, Peter? Denk doch mal nach. Wir haben nichts mehr, wozu wir zurückkehren können. Dies war unsere letzte Chance, und das weißt du genauso wie ich.«
»Wir würden schon zurechtkommen.« Er sah sie entschlossen an. »So schwer ist es nun auch nicht, Arbeit zu finden, wenn wir

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