Dunkles Feuer
hinaus.
Der Regen peitschte ihm ins Gesicht und der Wind zerrte an seinem Umhang, doch er merkte es kaum, so wütend war er. Wütend auf Elisabeth, dass sie alle Vorsicht in den Wind schoss, um zu irgendeiner Bäuerin zu eilen. Wütend, dass sie keinen Gedanken an ihre eigene Sicherheit verschwendete, wütend darauf, dass sie so starrköpfig und unbedacht sein konnte. Er war wütend auf die Diener, die es überhaupt zugelassen hatten, dass sie weg ritt. Wütend auf den Arzt, der nicht da war, als er mal gebraucht wurde. Wütend auf sich selbst, dass er nicht bei ihr geblieben war am Nachmittag und stattdessen in der Gegend herumgeritten war.
Nun, jetzt kam er voll auf seine Kosten, an diesen Ritt würde er sich zweifelsfrei noch sehr lange erinnern. Er war überhaupt wütend auf alles und jeden, auf das Wetter und das Pferd, das nicht schnell genug war. Und er war wütend auf Gott, falls dieser zulassen würde, dass Elisabeth etwas geschah. Denn seine Wut diente dazu, seine Angst zu überwinden, dass ihr etwas zustoßen könnte. Tausend Bilder drängten sich seinem fiebrigen Geist auf, während er vorwärts preschte. Elisabeth, wie sie vom Pferd abgeworfen in einem Graben liegt, während er nur einige Yards entfernt vorbereitet und im Toben des Wetters ihren Hilfeschrei nicht hört. Elisabeth, wie sie verletzt und kalt im Schlamm liegt, während der Regen sie zu ertränken droht. Elisabeth, wie sie vor einem gewalttätigen Mann davonläuft und vergeblich um Hilfe ruft. Nicht einmal vor seinem geistigen Auge wagte er sich auszumalen, was dann geschehen mochte. "Bitte, Gott, lass' nicht zu, dass ihr was passiert." Immer wieder wiederholte er diese Worte in seinem Geist, wie eine Beschwörungsformel.
Es wurde zunehmend dunkler, und er war sich gar nicht mehr sicher, ob er auf dem richtigen Weg war. Immerhin war er die Strecke nur einmal mit Elisabeth zusammen geritten, und damals hatte er nicht besonders auf den Weg geachtet. Doch er musste richtig sein, er konnte sich nicht vorstellen, dass er sich verirren könnte. Seine Willenskraft allein musste schon ausreichen, um den richtigen Weg zu finden. Nein, er konnte sich einfach nicht irren.
Da, ein Busch auf einem Hügel. Gott sei Dank, an den erinnerte er sich. Nun war es nicht mehr weit. Und tatsächlich entdeckte er auch schon die Lichter des Dorfes, verschwommen durch den Schleier des Regens.
Ohne sein Pferd zu verlangsamen, ritt Frederik durch das Dorf hindurch und kam mit einem Ruck vor der ihm bereits bekannten Hütte zum Stehen. Dabei riss er sein Pferd so heftig zurück, dass es auf dem nassen Schlamm rutschte und er sich nur mit größter Mühe im Sattel halten konnte.
Das hatte ihm noch gefehlt, so weit zu kommen, um sich dann kurz vor dem Ziel alle Knochen im Leib zu brechen. Rasch zeichnete ihm sein Verstand vor, was für eine großartige Hilfe er Elisabeth dann wäre.
Elisabeth.
Der Gedanke an sie ließ ihn vom Pferd abspringen und zur Hütte eilen. Doch als er die Hand schon zum Klopfen erhoben hatte, hielt er plötzlich inne. Was, wenn sie nicht da war?
Er war erleichtert, sie nicht unterwegs irgendwo liegen gesehen zu haben. Und er war überzeugt, sie im Dorf zu finden. Doch was, wenn nicht? Was, wenn nicht.
Oh bitte, Herr, lass' nicht zu, dass ihr etwas geschieht, flehte er stumm zum wiederholten Male, ohne sich dessen richtig bewusst zu sein. Dann riss er sich zusammen, es gab nur eine Möglichkeit es herauszufinden. Ohne anzuklopfen, riss er die Tür auf und trat in die Hütte.
Elisabeth hatte noch nie viel für die Inventurtätigkeit übrig gehabt, doch sie sah ein, dass es notwendig war. Immerhin hatten ihr Vater und sie sich geeinigt, dass ein Verwalter und eine Haushälterin nicht notwendig waren, da sie sonst zu viel Muße gehabt hätte, die zu füllen es ohne sinnvolle Aufgaben gar nicht so leicht gewesen war. Und so fügte sie sich in ihr Schicksal, den einzigen regenfreien Nachmittag seit Langem in stickigen Kammern zu verbringen, anstatt mit Frederik durch die Felder zu reiten.
Es erstaunte sie immer wieder, wie positiv sich ihr Verhältnis zueinander entwickelt hatte. Er gab ihr alles, wonach sie sich ihr Leben lang gesehnt hatte. Anerkennung, Verständnis, Freundschaft. Und dabei besaß er einen scharfen Verstand und einen sehr feinen Sinn für Humor, er war elegant und wohlerzogen, hatte jedoch die reizende Fähigkeit, sich manchmal über Konventionen hinweg setzen zu können.
Es war so befreiend, sich nicht verstellen zu müssen. Nicht
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