Dunkles Feuer
konnte, wäre es soviel einfacher für alle Beteiligten gewesen, wenn Mrs. Williams ihren edlen Regungen nicht nachgegeben hätte. »Erstmal sollten wir zusehen, dass wir Sarah außer Gefahr bringen. Ich hoffe, dass der Arzt bald kommt.«
»Verzeiht mir, Mylady«, unsicher blickte die ältere Frau sie an. »Jetzt, da Ihr hier seid, da habe ich mir gedacht, ob ich zu meiner Familie könnte? Die Kinder, sie haben noch nichts gegessen«, fügte sie entschuldigend hinzu. »Wenn Ihr möchtet, kann ich ja Fanny zu Euch herüberschicken, damit sie Euch zur Hand geht.« Die Frau war offensichtlich hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, Ihrer Herrin behilflich zu sein, und der Sorge um das Wohlergehen ihrer Familie.
»Ist schon gut, Ihr könnt ruhig gehen. Der Doktor müsste ja jeden Augenblick kommen.«
»Trotzdem, ich werde Fanny sofort zu Euch schicken.« Derart beruhigt machte sich Mrs. Williams auf den Weg.
Nachdem Elisabeth Sarahs Wunden versorgt hatte, musste sie feststellen, dass sie für Sarah nun nichts weiter tun konnte, als ihre Lippen mit Wasser zu befeuchten und auf ein Zeichen zu warten, ob sie die Nacht überleben würde.
Die Zeit verging, und Elisabeth verstand, dass der Arzt nicht mehr kommen würde. Sie ganz allein war für die junge Frau verantwortlich. Gern wäre sie dieser Last oder wenigstens der bedrückenden, vom Blutgeruch schweren Luft der Hütte entkommen und hätte die Patientin in Fannys Obhut zurückgelassen. Doch es war offensichtlich, dass das Mädchen sich davor fürchtete, Sarah könnte jeden Augenblick sterben. Und sie wollte dem Kind nicht zumuten, allein mit ihr bleiben zu müssen.
Elisabeth hörte, dass es wieder angefangen hatte, in Strömen zu regnen. Dadurch wurde die ohnehin schon unheimliche Stimmung noch bedrückender. Immer wieder kam es ihr vor, als könnte sie draußen vor der Hütte Schritte hören. Und ihre aufgeregte Fantasie gaukelte ihr vor, im Heulen des Windes Kampfgeräusche und Wutschreie zu hören. Bei jedem Knarren der Tür im Wind erwartete sie halb, Sarahs Mann zu sehen, der seinen Bewachern entkommen war und nun kam, um sein blutiges Werk zu vollenden.
Sie schrak auf. Diesmal hatte sie sich nicht verhört, es war tatsächlich jemand vor der Tür. Sie hörte das Schnauben eines Pferdes, dann Schritte, und plötzlich wurde die Tür mit großer Wucht aufgerissen. Mit Erschrecken sah Elisabeth eine große dunkle Gestalt auf sich zustürmen.
Eine immense Welle der Erleichterung überkam Frederik, als er Elisabeth in dem schwachen Schein der Kerze erkannte. Sein erster Impuls war es, auf sie zuzustürzen und sie in die Arme zu nehmen. Doch er zügelte sich rechtzeitig. Er merkte, dass er Elisabeth durch sein Auftauchen erschreckt hatte, doch nach einem Augenblick des Erkennens schwand ihre Angst und machte etwas viel Wärmerem Platz. Sie erhob sich ebenfalls und schien, zu ihm gehen zu wollen, doch dann blieb sie einfach stehen. Es trennten ihn nur zwei Schritte von ihr, doch keiner der beiden schien gewillt, diese zu gehen.
Eine kurze peinliche Stille folgte seinem Eintreten, doch dann fand er seine Fassung wieder. Er nahm Elisabeths Hand und drückte sie fest. »Ich danke Gott, dass ich Euch gefunden habe.«
Erst jetzt bemerkte sie, wie kalt, schmutzig und durchnässt er aussah. Als er ihren Blick bemerkte, lächelte er reuevoll über die Schlammspuren, die er auf dem Boden der Hütte hinterließ. »Ich fürchte, ich werde hier nicht eher weg dürfen, bis ich diesen Affront gegen die Sauberkeit wieder gut gemacht habe.«
»Darüber reden wir später.« Sie lächelte leicht. Auch sie schien ihre Fassung wieder gefunden zu haben. Doch dann kehrte ihre Unruhe wieder. »Aber wieso seid Ihr denn hier? Ist zu Hause etwas passiert?«
Frederik sah sie überrascht an. »Das fragt Ihr noch? Könnt Ihr Euch denn nicht vorstellen, wie mir zumute war, als mir mitgeteilt wurde, Ihr seid bei diesem Sturm ganz allein unterwegs!«
Elisabeth blickte ihn dankbar, aber mit einem spöttischen Funkeln in den Augen an. »Und deswegen seid Ihr ganz allein in diesen Sturm hinaus geritten? Es war nicht minder unklug von Euch als von mir. Vor allem, da ihr den Weg nicht so genau kanntet wie ich.«
»Mag sein, daran habe ich keinen Augenblick gedacht. Alles, was zählte, war, dass ich Euch unversehrt fand. Meint Ihr denn im Ernst, ich könnte gemütlich im Warmen sitzen, während Ihr Euch womöglich in Gefahr befindet?« Er trat noch einen Schritt näher und sah ihr in die Augen. »Glaubt
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