Dunkles Feuer
Vorgehen zurecht.
»Zuerst sollten wir uns nach dem Weg ins Schloss erkundigen«, schlug Julie herzhaft kauend vor.
»Es könnte auch nicht schaden, uns über die allgemeine Situation im Dorf zu informieren. Es würde mich schon interessieren, wie die Leute zu unserem Vorhaben stehen«, fügte Peter hinzu.
»Du glaubst doch nicht etwa, dass die anderen hier genauso merkwürdig reagieren werden wie dieser Walter?«
»Das weiß ich eben nicht. Vielleicht kann uns jemand ja etwas über ihn erzählen. Ich meine, ob er wirklich verrückt ist oder ob man ihn ernst nehmen sollte.«
In diesem Augeblick trat die Wirtin an ihren Tisch, scheinbar in der Stimmung ein Schwätzchen zu halten. Am vorangegangenen Abend hatte sie wohl zu viel Betrieb gehabt, um sich in Ruhe mit den Neuankömmlingen unterhalten zu können, und schien sie vor Neugier förmlich zu platzen.
»Guten Morgen, die Herrschaften. Ich hoffe, es ist alles zu Ihrer Zufriedenheit«, fragte sie.
»Oh ja, danke, alles ist wirklich wunderbar«, erwiderte Peter.
»Sie sind hier wohl auf der Durchfahrt, wohin wollen Sie denn weiterfahren? « Die Wirtin konnte ihre Neugier nicht zurückhalten.
»Eigentlich sind wir schon fast am Ziel, wir wollen nur ein Stück weiter, zum Schloss.«
»Meinen Sie etwa unser altes Herrenschloss? Aber das ist schon längst verlassen. Ich glaube kaum, dass Sie es werden besichtigen können. Und wenn doch, so würde ich sagen, dass es die Mühe kaum wert ist, es gibt viel lohnendere Ausflugsziele hier in der Gegend.«
»Das wissen wir«, erwiderte Julie vorsichtig. »Wir sind jedoch nicht an einer Besichtigungstour interessiert. Das Schloss soll verkauft werden und wir sind im Auftrag des Besitzers gekommen, um eine vollständige Inventur durchzuführen.« Julie verstummte und sah, ebenso wie Peter, die Frau erwartungsvoll an. Aber außer einer milden Verwunderung ließ das Gesicht der Wirtin nichts erkennen.
Als sie ihre gespannten Minen sah, lachte sie. »Ah, wie ich sehe, haben Sie sich mit dem alten Walter unterhalten und fürchten jetzt, alle Menschen hier wären so merkwürdig wie er. Da kann ich Sie beruhigen, der alte Walter ist ein wahres Unikat.«
Julie und Peter lächelten erleichtert. »Dann können Sie uns den Weg zum Schloss erklären?«
»Aber natürlich, ich gebe Ihnen nachher auch eine Karte dieser Gegend mit, damit Sie es auf jeden Fall finden.«
»Darf ich Sie etwas fragen?« fing Peter zögernd an. Als er das zustimmende Nicken der Wirtin sah, fuhr er fort. »Dieser Alte, Walter, können Sie uns etwas über ihn erzählen? Er hat uns gestern ziemliches Unbehagen eingeflößt. Alle diese Andeutungen über das Schloss, man könnte beinahe meinen, es wäre verflucht oder so.«
»So geht es uns allen hier«, winkte sie ab. »Aber wir haben uns daran gewöhnt, an seine Geschichten, meine ich. Deshalb schenken wir ihnen auch keine Beachtung. Ich glaube nicht, dass er wirklich verrückt ist, ein wenig merkwürdig, vielleicht. Er ist eben Walter, er gehört einfach zum Dorf dazu, und wenn er gute Laune hat, kann er viele interessante Geschichten erzählen.«
»Aber warum gerade er? Er ist zwar ziemlich alt, aber doch wohl nicht der einzige alte Mensch im Dorf«, warf Julie ein.
Die Wirtin rückte näher an die beiden heran und senkte verschwörerisch ihre Stimme. »Ich habe gehört, es hängt mit einem Erlebnis in seiner Jugend zusammen. Es gab da wohl einen Unfall, bei dem er einen geliebten Menschen verloren hatte. Manche sagen, es war seine Schwester, andere seine Verlobte. Seit dem Vorfall hat er sich verändert. Er meint, etwas Schreckliches war für diesen Tod verantwortlich. Aber höchst wahrscheinlich war es bloß ein tragischer Unfall.«
Mehr schien die Wirtin darüber nicht erzählen zu können. Eine letzte Frage beschäftigte Peter jedoch noch. »Diese Behauptungen von Walter, sind sie wirklich so ungewöhnlich, oder gibt es Legenden rund um das Schloss und seine Vergangenheit?«
»Na hören Sie mal«, die Wirtin gab sich empört. »Schließlich ist das hier ein respektables altes Schloss, natürlich gibt es dort ein oder zwei Schlossgespenster und eine ganze Reihe Spuk- und Gruselgeschichten. Was denken Sie denn? Aber sie gleichen mehr den üblichen Legenden, wir haben keine besonders ungewöhnlichen oder schauerlichen Geschichten im Angebot. Leider«, fügte sie bedauernd hinzu. »Wenn Sie mehr darüber wissen wollen, reden Sie am besten mit unserem Lehrer. Es ist sein Hobby, alte Geschichten zu sammeln und
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