Dunkles Feuer
»Tut mir Leid, habe ich dich geweckt?« Er sah nicht auf, damit sie nicht merkte, wie weiß er war.
»Ist schon O.K. Ist mit dir alles in Ordnung?«
Langsam rappelte er sich auf. »Bestens, geh' wieder ins Bett. Ich konnte nicht schlafen und hatte Hunger.«
Wie sollte er ihr auch sagen, dass seine ganze Welt auf den Kopf gestellt worden war. Und dass er vermutlich nie wieder würde ruhig schlafen können. Doch er wusste, dass sein eigenes Leid nur nachrangig war, weil alles, wovor sie gewarnt wurden, weil alle Ammenmärchen plötzlich zur schrecklichen Realität geworden waren.
Als Peter am nächsten Morgen herunter kam, war Julie bereits auf. Sie stand in der Küche und bemühte sich gerade, das Feuer im Ofen anzufachen.
»Guten Morgen, Julie. Hast du gut geschlafen? Ich wollte dich gestern Nacht wirklich nicht stören.«
»Oh, ist schon gut.« Sie konnte ihm ja nicht erzählen, wie wichtig das Gespräch für sie gewesen war und dass sie die halbe Nacht darauf gewartet hatte, dass Frederik wieder kam. Doch er war nicht gekommen. »Willst du auch ein paar Eier zum Frühstück?« fragte Julie, der es endlich gelungen war, den Ofen anzuheizen.
»Nein, danke. Sei mir nicht böse, aber ich muss dringend weg. Was besorgen.«
»Wie, ohne Frühstück? Was brauchst du denn so nötig? Wir können doch nachher auch zusammen gehen.«
Peter rang sich ein Lächeln ab. »Ist schon O.K. Dauert bestimmt nicht lange. Nur eine Kleinigkeit.« Mit diesen Worten war er zur Tür hinaus.
Ratlos blickte Julie ihm hinterher.
Eigentlich wusste Peter gar nicht so genau, wo er hin sollte. Ihm fiel auf, dass er nicht einmal wusste, wo der alte Walter lebte, geschweige denn, ob er ihm überhaupt helfen konnte. Doch er musste einfach mit jemandem reden. Seinen Gefühlen und seinen Sorgen wenigstens einmal Luft verschaffen. Er wusste nicht mehr weiter.
Peter beschloss, zuerst im Gasthaus nachzuschauen. Wenn Walter nicht da war, konnte ihm vielleicht jemand sagen, wo er ihn finden könnte.
Dort angekommen, ließ er das Auto mitten auf dem Hof stehen und rannte zur Tür. Als er sie aufriss, entdeckte er sofort den Alten, der gerade beim Frühstück saß.
»Haben Sie vielleicht etwas Zeit für mich? Ich muss mit Ihnen sprechen.« Peter stützte sich mit seinen Händen auf dem Tisch ab und sah Walter fest in die Augen. »Allein.«
Ein Blick in das besorgte Gesicht und den fiebrigen Glanz einer durchwachten Nacht in den Augen überzeugten Walter, dass es Peter ernst war.
»Aber natürlich.« Er erhob sich. »Kommen Sie, gehen wir eine Runde.« Dankbar folgte Peter ihm.
»Nun, junger Mann, was gibt's?«
Unsicher fuhr sich Peter mit der Hand durch das dichte Haar. »Ich weiß nicht recht, wie ich anfangen soll, nach Allem, was Sie uns erzählt haben und wie wir uns verhalten haben ...«
»Sie meinen, dass Sie mir nicht geglaubt hatten. Das tun die Wenigsten.«
»Aber jetzt glaube ich Ihnen. Jedes einzelne Wort. Was soll ich nur tun?«
»Es geht um Julie, nicht wahr? Er hat sich ihr zu erkennen gegeben.«
»Ja, es gibt ihn tatsächlich, diesen Frederik. Ich habe sie gestern zufällig belauscht, Julie und ihn.« Peters Stimme brach. »Sie sagt, sie würde ihn lieben!« stieß er schließlich zwischen fest zusammen gepressten Zähnen hervor. »Können Sie sich das vorstellen?«
»Vielleicht hat sie das ja nur so gesagt«, versuchte Walter ihn zu beruhigen.
»Oh nein, es hörte sich schon ganz echt an«, stieß Peter bitter hervor. Er merkte gar nicht, dass die Knöchel auf seiner zur Faust geballten Hand weiß hervortraten.
»Was soll ich nur tun?« Hoffnungsvoll sah er Walter an.
»Ich würde ja sagen, reisen Sie ab. Aber so, wie sich das hier anhört, wird sie wohl kaum mitkommen.«
Peter wischte sich mit der Hand über das Gesicht. »Bitte helfen Sie mir.«
»Das würde ich gern, bei Gott, das würde ich, doch ich weiß auch nicht, wie.« Er fasste Peter am Arm, als wäre ihm gerade etwas eingefallen. »Sie dürfen Julie jetzt auf keinen Fall allein lassen. Wenn es wahr ist, dass sie ihm verfallen ist, ist sie in großer Gefahr.«
»Er würde ihr doch nichts tun, oder? Warum sollte er es denn jetzt tun, nach all der Zeit?«
»Oh nein, er würde ihr nichts tun. Wenigstens nicht direkt. Doch sie könnte sich selbst etwas antun.«
Peter schüttelte ungläubig den Kopf. »Das würde Julie niemals tun. Warum sollte sie auch?«
»Sie wissen bereits, dass meine Familiengeschichte eng mit diesem Schloss verbunden ist.«
»Ja, und?«
»Sie wissen noch nicht
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